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Alle Dinge dieser Welt

Requisiten sind eher was für den Hintergrund und Ausstatter bleiben im Film unsichtbar. Susanne Weirich und Robert Brakamp holen sie auf die Leinwand

Von Wilfried Hippen

Tassen und Taschen, Lampen und Sofas, Uhren und Telefone, Kleider und Regenschirme – mit all dem müssen Filme bestückt werden, damit ihre jeweiligen Erzählwelten glaubwürdig und plausibel wirken. Und dafür ist die Ausstattung zuständig – eine Branche, die in der Hierarchie der Filmgewerke weit unten angesiedelt ist. Entsprechend spät wird sie im Abspann genannt wird.

Dass sie kaum wahrgenommen wird, liegt auch an einem Paradoxon: Es ist zwar wichtig, dass all diese Dinge in Filmen zu sehen sind, aber wenn man sie dann bewusst wahrnimmt, haben sie meist ihre Aufgabe verfehlt. Sie sollen im Hintergrund bleiben.

Der Dokumentarfilm „Die Ausstattung der Welt“ von Susanne Weirich und Robert Bramkamp spielt sie nun einmal in den Vordergrund: Er zeigt, wo all diese Dinge herkommen. Dafür haben die beiden die „Film- und Theater Ausstattung FTA Props“ in Hamburg sowie vier Fundus – das ist nun mal auch der Plural von Fundus – in Babelsberg und Berlin besucht. Einigen der dort Beschäftigten haben die Filmer bei der Arbeit über die Schultern geblickt. Aber dieses Bild passt nicht wirklich, denn eines der Stilmittel der Fil­me­ma­che­r*in­nen ist es, die Menschen in Totalen in den prall gefüllten Lagerräumen zu zeigen. Dadurch wirken sie im Verhältnis zu all den Dingen klein.

Auf einer Ebene ist dies ein klassischer Erklärfilm, in dem gezeigt wird, wie die passenden Dinge in die Filme kommen. Irgendwann sind sie einmal gekauft oder gesammelt worden, aber mindestens ebenso wichtig ist es, dass sie möglichst detailreich und gut recherchiert katalogisiert werden.

Film „Die Ausstattung der Welt“ läuft heute, 7. 2., 19.30 Uhr im Abaton, Hamburg, am 8. 2., 20.00 Uhr im City 46, Bremen, am 12. 2. um 19 Uhr im Universum, Braunschweig und am 24. 2, 11 Uhr im Kino am Raschplatz, Hannover.

So zeigt der Film, wie etwa alte Bestände der Defa in Babelsberg digitalisiert, also neu fotografiert, mit genaueren Beschreibungen versehen und dann online gestellt werden. Die über viele Jahrzehnte gewachsenen Fundus sind mit bis zu 100.000 Einzelobjekten riesig, und die Gründerin des Hamburger Fundus „Props“, Geza Claus, erzählt dann auch, dass sie schon früh einen ganzen Bauernhof kaufen musste, um Raum für all ihre Objekte zu schaffen. Für Film- und Fernsehproduktionen suchen dann deren RequisiteurInnen entweder im Internet, oder indem sie selber die Regale durchforsten, die passenden Dinge. An denen hängen meist die Preisschilder. 20 Euro scheint eine gängige Verleihgebühr zu sein. Dann werden sie verpackt und zur jeweiligen Produktionsfirma geschickt.

Es fällt auf, wie ruhig – im doppelten Sinn von still und entspannt – diese Arbeit ist. Diesen Eindruck verstärken Weirich und Bramkamp durch lange Einstellungen, bei denen nur die Arbeitsgeräusche in den Räumen zu hören sind. Die beiden beschreiben diese besondere Atmosphäre, die sie fasziniert hat, als „die völlige Abwesenheit von „Hysterie“ oder „Psychopathie“ … im Kontrast zur „ausgestatteten Welt“ außerhalb der Funden.“

Der Film inszeniert die Menschen in Totalen inmitten prall gefüllter Regale. Im Verhältnis zu all den Objekten wirken sie dann klein

Und sie präsentieren natürlich auch viele von den Dingen in den Regalen, darunter Stühle, Bettwäsche, Spielzeug oder Sahnetorten aus Plastik. In 21 kurzen Filmausschnitten werden dann einige von diesen Requisiten bei ihren Auftritten in bekannten Filmen gezeigt: so klingelt ein Bakelit-Telefon aus den 1950er Jahren in „Der Staat gegen Fritz Bauer“, ein Ölgemälde hängt im Defa-Film „Die Legende von Paul und Paula“ aus dem Jahr 1973 an der Wand und eine Flagge aus den napoleonischen Kriegen flattert bei einem Kavallerieangriff im NS-Durchhaltefilm „Kolberg“ von 1943 im Wind.

Aber der Film hat auch noch eine andere Ebene. Auf dieser inszenieren Weirich und Bramkamp viele Sequenzen, sodass ihr Film streng genommen eine Dokufiktion ist. Hier geht es um die postkoloniale Geschichte der Dinge. Dafür tritt eine Doktorandin für „postcolonial studies“ namens Cleo auf, die von der BiPOC-Aktivistin Thelma Buabeng gespielt wird.

Sie entdeckt etwa eine Spardose mit der Figur eines afrikanischen Mannes, der durch einen Hebel die Münzen in seiner Hand schluckt. Im Grunde übernimmt sie die Rolle einer Kommentatorin, die das Gezeigte erklärt und einordnet. So erfährt man von ihr, warum die Büste einer afrikanischen Kriegerin Airport-Art ist und wie ein Ölgemälde von einer festlich gekleideten afrikanischen Sklavin mit einer Uhr in der Hand im Fundus landen konnte.

In diesen Szenen werden Weirich und Bramkamp manchmal geradezu übermütig spielerisch, wenn sie etwa das genannte Gemälde plötzlich verschwinden und an einer anderen Wand wieder auftauchen lassen, oder wenn ein leuchtend orangener Spielzeugfisch lebendig wird und mit wackelnder Schwanzflosse durch die Gänge rollt. Da drängt sich dann die Frage auf, was all die Dinge so anstellen, wenn die paar Menschen nach Feierabend ihr Reich verlassen und sie den ganzen Fundus für sich alleine haben.

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