: Wüste Träume aus Québec
Auch in Blockbustern wie „Dune“ ist Denis Villeneuve ein Autorenfilmer geblieben: In Hannover, Hildesheim und Bremen ist die Begegnung mit seinem wilden Frühwerk möglich
Von Wilfried Hippen
Ein riesiger Fisch liegt auf einem Tisch voll Schleim und Blut. Bevor er mit dem triefenden Messer des Fischers ausgenommen wird, gibt er aber noch mit einer brummigen Stimme eine Märchenstunde. Der gefangene und todgeweihte Karpfen ist der allwissende Erzähler in „Maelström“ von Denis Villeneuve – und ein gutes Beispiel dafür, wie verspielt und schräg dessen frühe Filme sind.
Noch bis April macht im hannoverschen Kommunalkino im Künstlerhaus, im Bremer City 46 und im Hildesheimer Kellerkino unter dem Titel „Rendez-Vous Québec“ die erste umfassende Retrospektive seiner Filme Station. Untertitel: „Das Kino von Denis Villeneuve“.
Die Freude an der etwas abseitigen Perspektive in „Maelström“ ist kein Einzelfall. So wacht in seinem Langfilmdebüt „Der 32. August auf Erden“ die Protagonistin nach einem Unfall kopfüber in ihrem Auto auf und lebt an einem Tag weiter, den es auf dem Kalender gar nicht gibt. Die Geschichte folgt einer Traumlogik und wenn ihr Geliebter ihr die Bedingung stellt, sie nur in einer Wüste zu schwängern, dann stehen die beiden nach ein paar Filmschnitten alleine in einer riesigen Salzwüste. Ja, schon in Villeneuves erstem Film spielt die Wüste eine große Rolle, die in „Dune“ dann ganz ins Zentrum rückt: Der zweite Teil von Villeneuves Wüstenplanet-Verfilmung kommt am 29. Februar in die deutschen Kinos.
Wie erfolgreich in Kanada junge Filmtalente gefördert werden, kann man daran erkennen, dass alle paar Jahre wieder ein kanadischer Filmemacher mit einer eigenen, radikalen Filmsprache nach einigen wilden und sehr eigenwilligen Filmen von Hollywood entdeckt wird. In den 1980ern war dies David Cronenberg, in den 1990ern Atom Egoyan und in den 2010ern dann Denis Villeneuve. Nachdem sein fünfter Film „Die Frau, die singt“ für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film nominiert wurde, konnte er in Hollywood Produktionen mit einem größeren Budget drehen und dabei beweisen, dass er auch in Genres wie dem Psycho-Drama („Prisoners“), Mystery-Thriller („Enemy“) und Science Fiction-Film („Arrival“) immer ein Autorenfilmer geblieben ist.
Dies zeigt sich auch bei seinen zwei Blockbustern „Blade Runner 2049“ und „Dune“, der 2021 im Programm des Filmfestivals in Venedig seine Uraufführung erlebte. Bei beiden ist Villeneuve jedenfalls das Kunststück geglückt, die bekannten Stoffe neu zu interpretieren, ohne dabei zu kopieren oder peinlich zu wirken.
„Seine Filme verbindet, dass in ihnen immer vom existentiellen Ringen erzählt wird. Er stößt seine Filmfiguren in Chaos-Situationen, bleibt dabei aber immer auf ihrer Seite“, sagt Rita Baurowitz. Sie hat die Retrospektive für den Bundesverband kommunale Filmarbeit organisiert. Geld dafür bekam sie vom National Film Board Kanada und der Filmförderung von Québec. Damit konnten vor allem die Aufführungsrechte finanziert werden. Die hohen Preise, die sonst für jede öffentliche Projektion eines Films ohne deutschen Verleih gezahlt werden müssten, kann sich kein einzelnes Kino leisten.
Im Programm sind alle zehn Langfilme von Villeneuve zu sehen sowie „Cosmos“. Das ist ein sogenannter Omnibusfilm, dessen Abschnitte also von unterschiedlichen Regisseur*innen stammen: In diesem Fall erzählen Villeneuve und fünf seiner Québecer Kolleg*innen Episoden aus einem Tag im Leben der Titelfigur, der als Taxifahrer in Montreal lebt.
Außerdem gibt es ein Programm mit drei Kurzfilmen von Villeneuve, das auch in Oldenburg noch laufen soll. Das hannoversche Kommunalkino ist das einzige, das die komplette Retrospektive zeigt, während man sich in Bremen und Hildesheim auf das französischsprachige Frühwerk des Regisseurs konzentriert hat.
Retrospektive Rendez-Vous Québec: Das Kino von Denis Villeneuve, City 46, Bremen; Kino im Künstlerhaus, Hannover; Kino im Keller Hildesheim. Alle Spieltermine und Kinos auf https://maplemovies.de/
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