Britischer Spionage-Thriller „Argylle“: Sie munkeln nur, sie wissen nicht
Verwirrung und der Wille zur Persiflage: Matthew Vaughns Film „Argylle“ jongliert wild mit seinen Handlungsebenen. Ist das auch glaubwürdig?
Ob sie, wie das große Vorbild John Le Carré, selber mal Spionin gewesen sei, wird Krimiautorin Elly Conway (Bryce Dallas Howard) bei einer Lesung gefragt. Ihre Spionageromane um einen Superagenten namens Argylle sind offenbar Kult in der fiktiven Welt des Films.
Aber nicht nur ihr ungeschickt-verlegenes Lächeln spricht gegen Ellys Berufserfahrung im Metier. In allem erscheint die Frau, die unter Flugangst leidet und nie ohne ihren Kater Alfie im Spezialrucksack reist, als das Gegenteil jener sportlich-eleganten, supersexy Mannequins, die sonst so das Genre von „Mission: Impossible“ bis „James Bond“ bevölkern.
Was natürlich der beste Hinweis darauf sein könnte, dass ihr Äußeres nur Tarnung ist, schließlich handelt es sich hier um einen Film von Matthew Vaughn. Der Brite hat sich nicht als sozialer Realist einen Namen gemacht, sondern als Produzent der Guy-Ritchie-Erfolge „Bube, Dame, König, grAS“ und „Snatch – Schweine und Diamanten“.
Reichlich Stil, wenig Substanz
Als Regisseur insbesondere der „Kingsman“-Filme hat der 53-Jährige immer wieder einer gewissen Vorliebe für „Style over Substance“ gefrönt. Für den Effekt der „überraschenden Wendung“ ist Vaughn quasi jedes Mittel recht. Da könnte sich auch Kater Alfie als Doppelagent entpuppen.
„Argylle“. Regie: Matthew Vaughn. Mit Henry Cavill, Bryce Dallas Howard u a. Vereinigtes Königreich/USA 139 Min.
Ob die Prämisse von „Argylle“ eher abgedroschen oder altmodisch-verspielt ist, lässt sich nicht sofort entscheiden. Die Auftaktsequenz, die in der Welt von Ellys Büchern spielt, mit Henry Cavill als titelgebendem Agentenheld mit seltsamem Haarschnitt, erscheint so willentlich schlecht kostümiert und inszeniert, dass man sich in einer Persiflage wähnt.
Die Szenen mit Elly als trutschiger Schriftstellerin am heimischen Schreibtisch, die wegen des letzten Kapitels ihres neuen Manuskripts Rat bei Mama (Catherine O’Hara) sucht, wirken aber kaum weniger parodistisch. Als sich dann mit dem Auftauchen von Sam Rockwell als Superagent Aidan die beiden Welten zu vermischen beginnen, entpuppen sich solche Genrefragen als sowieso überflüssig. Der Phrase „Nichts ist so, wie es scheint“ wird hier jedenfalls durch willentliches Überstrapazieren noch der Rest an Anwendbarkeit geraubt.
Fesselndes Zickzack
Da das Handlungs-Zickzack das zentrale fesselnde Element des Films ist, in dessen Welt hinter jedem Baum ein Agent hervorspringen kann, verliert man besser nur wenige Worte darüber. Dass sich „Sinn“ ergäbe, wäre auch zu viel verlangt. Statt dessen funktioniert „Argylle“ ganz gut als Test dafür, worauf man als individueller Zuschauer und Zuschauer*in so anspringt.
Für die einen mag das ein Schauspieler wie Sam Rockwell sein, der es versteht, die Kunst des Understatements mit feiner defätistischer Unternote zu versehen. Oder Bryan Cranston, der mit geradezu diebischer Freude von einfühlsam-sorgendem Papa zum bedrohlichem Mastermind und zurück wechseln kann.
Catherine O’Hara weiß noch die abstruseste Situation routiniert in humorigen Slapstick zu verwandeln, und Henry Cavill als Spion ist quasi immer schon seine eigene Selbstparodie.
Einzig Bryce Dallas Howard als Elly macht aus der Rolle der Frau, die gegen ihren Typ besetzt ist, erstaunlich wenig. Die Verantwortung dafür trägt aber auch das Drehbuch von Jason Fuchs („Wonder Woman“), der ihr außer der Sorge um ihren Kater und beständigem Staunen über das, was um sie herum vorgeht, nur wenig zu tun gibt.
Dass man ihr die Agentin nicht „abnimmt“, verliert im Kontext eines Films, dessen ganze Konstruktion auf „suspension of disbelief“ beruht, sowieso an Logik. Für alle, die sich nach jener Art von Unterhaltung sehnen, die „James Bond“-Filme boten, bevor es auch da immer ernster und tragischer zuging, liefert „Argylle“ leider nur mit Abstrichen eine Alternative.
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