piwik no script img

Diplomatische Vertretung auf der Bühne

Stefan Kaegi von Rimini Protokoll präsentiert mit taiwanesischen Mitstreitern das Stück „Das ist keine Botschaft (Made in Taiwan)“ im Haus der Berliner Festspiele

Von Katja Kollmann

Im Haus der Berliner Festspiele wird eine große weiße Fahne geschwenkt. Dass es hier nicht um Kapitulation geht, sondern im Gegenteil um die Existenzberechtigung eines Landes gekämpft wird, ist die Essenz dieses Theaterabends. Stefan Kaegi von Rimini Protokoll hat drei sehr unterschiedliche Menschen aus Taiwan mitgebracht, die versuchen, dem Publikum die absurde Situation eines Landes näherzubringen, das de facto unabhängig ist, aber von fast keinem Staat der Welt offiziell anerkannt wird.

So schwenkt Chiyao Kuo, die die NGO Digital Diplomacy Association gegründet hat, ganz am Anfang die weiße Fahne, auf die Fotos projiziert werden, die Straßenszenen aus Taiwan zeigen. Später kehrt die weiße Fahne wieder. Jetzt schwenkt sie der Rentner David Wu, früher ein ranghoher Diplomat. Und nun wird die taiwanesische Flagge – viel Rot und oben links eine blaue Ecke mit einem Sonnensymbol – darauf projiziert.

Da die Fahne ständig in Bewegung ist, wird darauf die Flagge immer nur für einen kurzen Augenblick sichtbar. Chiyao Kuo legt dann ein grünes Trikot mit eingewebten weißen Balken vor die Kamera, beamt das auf die Riesenleinwand in der Bühnenmitte und erfindet bierernst eine Fantasie-Symbolik, um das Muster zur taiwanesischen Flagge zu erheben.

Stefan Kaegis Regie und Szu-Ni Wens Dramaturgie finden in diesem Parade-Stück von politischem Dokumentartheater zu einer wunderbaren Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit, die den ganzen Abend trägt. Nicht unwichtig sind dabei die musikalischen Einwürfe von Debby Wang, die sich ein Plastikflaschen-Xylofon gebastelt hat, das sie live aufnimmt und dessen „Schlagkraft“ sich schnell verdoppeln bis verzehnfachen kann. Die Künstlerin, die auch in Österreich gelebt hat, kommt aus einer Familie, die mit Bubble-Tea reich geworden ist.

Und so beugen sich der ehemalige Diplomat Wu und sie über eine digitale Weltkarte. Er markiert mit der Flagge die Länder, in denen Taiwan eine Botschaft unterhalten darf – es sind im Augenblick zwölf – und sie überzieht Asien, Europa und Nordamerika mit unzähligen Bubble-Tea-Symbolen. Anschaulicher kann man man die Diskrepanz zwischen Taiwans ökonomischer Potenz und seiner durch China erzwungenen internationalen politischen Marginalität nicht darstellen.

Wichtiger musikalischer Einwurf: Debby Wang am Plastikflaschen-Xylofon

Das war nicht immer so. Taiwan war als „Republic of China“ Gründungsmitglied der Vereinten Nationen und ständiges Mitglied im Sicherheitsrat. Anfang der 19070er Jahre musste das Land die UN verlassen. Grund dafür war die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Festland-China. Und so gibt es heute in Europa nur ein Land, das es wagt, dem Druck Chinas standzuhalten und Taiwan eine Botschaft zu erlauben: der winzige Vatikan-Staat.

Stefan Kaegi und seine MitstreiterInnen aus Taiwan sind ausgezogen, das zu ändern. Sie nennen den Abend wasserdicht „Das ist keine Botschaft (Made in Taiwan)“ und eröffnen dann auf der Bühne eine offizielle diplomatische Vertretung Taiwans in Deutschland. Das obligatorische glänzende Messingschild und die beiden Flaggen gibt es analog an der linken Bühnenwand, der Rest wird digital generiert. Eine Zuschauerin in der ersten Reihe kommt in den Genuss, als Annalena Baerbock begrüßt zu werden.

Da ist wieder so ein Augenblick, in dem sich Ernst und Leichtigkeit schwerelos begegnen. Und dabei diskutieren und reflektieren die drei, dem Publikum zugewandt und das Publikum einbeziehend, dass es eine Freude ist. Am Schluss wird das Botschaftsschild wieder abgeschraubt. Das Theater ist vorbei, das Leben geht weiter. Die drei kommen runter zum Publikum. Sie wollen reden. Es geht um ihr Land.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen