: Zwischenstopps gegen die Angst
Die Grüne Jugend in Bremen schaut neidisch in andere deutsche Städte, in denen Fahrgäste nachts zwischen zwei Bushaltestellen aussteigen können. Dabei gibt es das auch in Bremen – es weiß nur niemand, nicht einmal das Verkehrsunternehmen BSAG
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Von Eiken Bruhn
Norddeutschen wird ja nachgesagt, nicht so redefreudig zu sein. Vielleicht liegt darin der Grund, warum in Norddeutschland folgendes Angebot eher unbekannt ist: Die Möglichkeit, außerhalb der Innenstadt nachts zwischen zwei Bushaltestellen auszusteigen, um so kürzere Wege zum Ziel zu haben – was das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhen kann.
Dafür muss man allerdings mit dem Fahrer oder der Fahrerin reden, um den Haltewunsch mitzuteilen. Dabei scheinen es die Bremer:innen so wenig mit Kommunikation als Mittel zum Zweck zu haben, dass sie nicht einmal darüber sprechen, dass es ein solches Angebot längst auch in Bremen gibt. Als sich nämlich die Jugendorganisation der Grünen unlängst an den zuständigen Verkehrsbetrieb, die Bremer Straßenbahn AG (BSAG), mit der Forderung wandte, zwischen 22 und 6 Uhr den Unterwegs-Ausstieg zu ermöglichen, verriet die ihr nicht, dass das ab 20 Uhr auf ausgewählten Strecken bereits möglich ist. Auch der Pressesprecher des Unternehmens wusste davon nichts, schrieb aber der taz, dass grundsätzlich nichts dagegen spreche.
Azad Kour vom Bremer Landesvorstand der Grünen Jugend fragt sich, warum dieses Angebot selbst innerhalb der BSAG so unbekannt ist. „Das sollte besser kommuniziert werden“, sagt er der taz, „anscheinend wissen kaum Leute davon“. Zudem müssten auch Nachtlinien in das Angebot aufgenommen werden. Aus seiner Sicht sollte es möglich sein, auch aus Straßenbahnen zwischen Haltestellen auszusteigen, aber das bieten auch die anderen deutschen Städte mit Straßenbahn wie Bonn, Hannover und Leipzig nicht an.
Grundsätzlich, sagt der Sprecher der Bonner SWB Bus und Bahn, entscheide das Fahrpersonal, ob der Wunsch erfüllt werde. „Sie können auch nein sagen, wenn sie Sicherheitsbedenken haben.“ So steht es auch auf den Websites anderer Verkehrsunternehmen, etwa der Münchner Verkehrsgesellschaft oder Delbus Delmenhorst oder der Oldenburger VWG.
Die Grüne Jugend in Bremen begründet ihre Forderung damit, dass kürzere Wege im Dunkeln Ängste reduzieren könnte, „insbesondere bei marginalisierten Gruppen“. Auf diese Weise ließe sich „die Attraktivität der Bus- und Bahnfahrten enorm verbessern“, sagt der Vorstandssprecher Azad Kour.
Marc Backhaus, Leipziger Verkehrsbetriebe
Allerdings ist fraglich, ob am Ende viele Menschen davon profitieren werden. „Es kommt nicht besonders oft vor, dass das Angebot genutzt wird“, sagt Marc Backhaus, Sprecher der Leipziger Verkehrsbetriebe. In Leipzig gebe es die Möglichkeit des Zwischenhalts bereits seit mindestens zehn Jahren, sagt er. Nachdem im vergangenen Jahr Medien nachfragten, weil Paris es eingeführt hatte, habe die Pressestelle beim Fahrpersonal nachgefragt. „Es scheinen gar nicht alle Fahrgäste zu wissen“, sagt Backhaus. Und vielleicht fiele es vielen dann doch schwer darum zu bitten, weil sie dafür mit einem Fremden ins Gespräch gehen müssten.
Auch in Hamburg ist es möglich zwischen zwei Haltestellen auf ausgewählten Strecken auszusteigen, sogar schon seit 1995, ab 19 Uhr und am Wochenende, wie aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage in der Bürgerschaft aus dem November 2022 hervorgeht. Aber auch das scheint eher Geheimwissen zu sein. Online ist auf den Seiten des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) kein Hinweis darauf zu finden und auch die Pressestelle braucht einige Stunden, um die Frage zu beantworten, ob es ein solches Angebot gib. „Derzeit wird der betriebliche und kommunikative Umgang mit dieser Regelung geprüft“, schreibt schließlich ein HVV-Sprecher.
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