Neue ökonomische Politik

Linke Grüne für armutsfeste Grundsicherung statt ALG II

Der Schock des Machtverlusts in Nordrhein-Westfalen wirkt: Führende Grüne warnen vor der Politik des „Weiter so“, mit dem die Berliner Parteiführung in die anstehenden Bundestagswahlen gehen will. Nötig sei besonders eine Neuausrichtung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, heißt es in einem „Münsteraner Appell“, den Parteilinke am Wochenende verabschiedet haben. Nötig sei eine „neue soziale und ökologische grüne Politik“.

Konkret fordert das Papier eine „armutsfeste soziale Grundsicherung“ an Stelle der Sozialhilfe und des vergleichbaren Arbeitslosengelds (ALG) II und längere Bezugszeiten des am letzten Arbeitseinkommen ansetzenden ALG I. Die Sozialsysteme müssten durch eine Bürgerversicherung entlastet werden – Besserverdienende sollen sich dem System nicht mehr durch Privatversicherungen entziehen können. Außerdem nötig seien Arbeitszeitverkürzungen, der Abbau von Überstunden und eine „aktive Arbeitsmarktpolitik“, also etwa Qualifizierungen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Auch Kapitalerträge und Vermögen müssten „gerechter“ besteuert werden, fordern die knapp 60 Erstunterzeichner, darunter die Bundestagsabgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk (Ennepe-Ruhr), Friedrich-Ostendorff (Unna) und Jutta Dümpe-Krüger (Lippe).

Verankert ist die Parteilinke auch in der grünen Landtagsfraktion: Mitorganisator des Treffens war der Münsteraner Parlamentarier Rüdiger Sagel, unterzeichnet hat auch die frisch in den Landtag eingerückte Kölnerin Andrea Asch. Die Parteilinken, befreit von der disziplinierenden Regierungsverantwortung im Land und wahrscheinlich bald im Bund, sehen die Möglichkeit eines grundlegenden Kurswechsels, einer politischen und personellen Neuausrichtung – schließlich stehe die „parlamentarische Existenz“ der Grünen auf dem Spiel, warnt Sagel schon seit Wochen.

Jetzt sollen die Forderungen in das Wahlprogramm einfließen. Allein drei Mitglieder der Programmkommission waren in Münster anwesend, selbst von besorgten Anrufe aus Berlin ist schon zu hören. Dabei beginnt die Diskussion für die Parteilinken erst: Die Sozialpolitik sei zwar „wahlentscheidend“, sagt Sagel. „Wir müssen aber auch über das Thema Verteidigung reden.“ ANDREAS WYPUTTA