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Nach der Wahl in den NiederlandenPermanente Grenzüberschreitung

Martin Bosma von der rechten PPV wird niederländischer Parlamentspräsident. Er hält Hitler für einen Sozialisten und verbreitet Verschwörungsideologie.

Ein gefährlicher rechter Scherzkeks: Martin Bosma Foto: Remko de Waal/ANP/imago

Berlin taz | Vor der niederländischen Flagge stehend, mit dem Hammer in der Hand triumphierend, erlaubt sich Martin Bosma, neugewählter Chef der Volksvertretung, einen Witz: „Ich fordere eine Neuauszählung der Wahl.“ Großes Gelächter im Saal, da er sich mit dem Republikaner Donald Trump vergleicht.

Es war der Volksfänger, so wie viele ihn kennen. Ein bisschen Spaß muss sein. Für viele Niederländer ist lachen wichtiger als ernste Diskussionen um die Demokratie. So sagte Bosma (59) zur linken Opposition: „Menschen, die mich nicht gewählt haben, werden das noch bemerken, bei der Verteilung der Sprechzeit.“ Der stramm rechte ex-Journalist macht gerne einen Jux.

Die Waffen der Kulturkämpfer in den USA hat er lange studiert. Die linken Politikprofessoren an der Universität von Amsterdam hasste Bosma, ein offenes Ohr fand er in der US-amerikanischen Alt-right-Bewegung, bei einem Aufenthalt in New York.

Er radikalisierte genau so schnell wie die neokonservative Tea Party. Vor fast 20 Jahren schloss sich Bosma der anti-Islam-Partei von Geert Wilders an, die keine normalen Mitglieder hat. Seitdem übt er sich in permanenter Grenzüberschreitung.

Seine Anti-Immigrationspartei will alle Subventionen für Kunst, Kultur und den „Rotfunk“, so wie sie die öffentlich-rechtlichen Medien nennen, streichen. „Die roten Nasen von RundfunkjournalistInnen wie Clairy Polak würde ich gern abhacken, ich sehe sie schon am Boden liegen“, sagte er über eine jüdische Interviewerin.

In seiner Autobiographie nennt er den rechten Blogger Fjordman als eines seiner Vorbilder. Der norwegische Massenmörder Anders Breivik bezog sich auf dessen Schriften. Außerdem benutzt Bosma permanent den Kampfbegriff „Kulturmarxismus“, wie er gern im angloamerikanischen Kontext benutzt wird. Der stammt vom Kulturbolschewismus, ein Schlagwort, das schon die Nazis in den 1930er-Jahren gebrauchten.

Bosma kämpft gegen den vermeintlichen Geheimplan der „Umvolkung“, schwadroniert, dass die „linksgrüne Elite“ Niederländer gegen illegale Immigranten austauschen will. Den Holocaustüberlebenden George Soros (93) nennt er einen „Nazi-Sympathisanten und Kollaborateur“.

In seinem Buch (über die „Scheinelite der Falschmünzer“) deutet Bosma die Geschichte um: „Adolf Hitler war ein Sozialist“, schreibt er. Und: „Die NSDAP war auch grün.“

In der Bundesrepublik wird die Alternative für Deutschland (AfD) vom Bundesverfassungsschutz beobachtet. Die Parteien des Bundestages sperren sich gegen AfD-ler im Präsidium. Aber in den Niederlanden schenkten die christliche Rechtsstaatspartei NSC, die liberale VVD und Bauernpartei BBB Bosma den Parlamentsvorsitz.

Mit seiner anti-EU-Partei PVV, ein erklärter Feind der Ukraine, wird gerade um eine Koalition gerungen. Wenn Wilders und Bosma versprechen, das Grundgesetz und Grundrechte von Minderheiten zu respektieren, kann es grünes Licht geben. Die anderen Parteien wollen Bosma glauben. Der behauptet: „Es gibt keinen Rechtsextremismus in den Niederlanden“.

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