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Ein kleiner Anfang für ein großes Filmprojekt

Der 23. Bremer Dokumentarfilm-Förderpreis wurde gedrittelt: Ein Teil ging an das eigenwillige Projekt „Supercargo“. Ausgehend von altniederländischer Miniatur-Malerei will Regisseur Alexander Bartsch mit ihm Zusammenhänge von Kolonialismus, Klimawandel und dem Reichtum der norddeutschen Hansestädte untersuchen

Adam van Breen, Gesellschaft auf dem Eis: Hängen Kolonialismus und Schönheitsempfinden zusammen? Foto: Marcus Mayer/Kunsthalle Bremen

Von Wilfried Hippen

Der Titel „Supercargo“ klingt gut und es geht in dem Filmprojekt um „Klima, Kunst und Kolonialismus“. Alexander Bartsch spricht selber von der „Antragsprosa“, mit der er die Jury des Bremer Dokumentarfilm-Förderpreises beeindrucken wollte. Und dies ist ihm auch gelungen, denn sein Projekt ist eins von dreien, unter die der Preis und das Preisgeld aufgeteilt werden.

Schon Ende November war es zu der Entscheidung gekommen. Mittlerweile ist auch das Preisgeld ausgezahlt: Es handelt sich um eine Anschubfinanzierung in Höhe von 2.000 Euro. Sie dient dazu, die ersten Schritte für die Fertigstellung des Films zu finanzieren. Denn der Bremer Dokumentarfilm-Förderpreis ist ein Recherche-Preis – der einzige in Deutschland.

Das Bremer Filmbüro, das den Preis vergibt, formuliert es so: „Prämiert wird die Idee für einen Dokumentarfilm, die mit Hilfe des Preisgeldes recherchiert und zur Produktionsreife gebracht wird.“

Seit 1991 wurden so 61 Projekte gefördert und 32 Filme auch fertiggestellt. Darunter war etwa der Film „Der Prinz und der Dybbuk“, der 2014 ebenfalls mit 2.000 Euro gefördert wurde, mit denen die Fil­me­ma­che­r*in­nen Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski ihre erste Recherchereise in die Ukraine finanzierten. Fertig war der Film dann 2017 – und er gewann bei den Filmfestspielen in Venedig einen Goldenen Löwen.

Auch für Alexander Bartsch ist dies erst die erste von vielen Förderungen, die noch kommen müssen. Er selber sieht die im Vergleich zu anderen Fördergeldern fast lächerlich geringe Summe vor allem als einen Ansporn, denn für ihn sei „das Geld gar nicht so ausschlaggebend“, sagt er. „Es ist ja auch keine Förderung, sondern ein Preis, und mit ihm werde ich bessere Chancen haben, bei Förderinstitutionen auf offene Ohren zu stoßen.“

Der in Leipzig lebende Filmemacher wird mit dem Geld einen Rechercheaufenthalt in Bremen finanzieren. Denn er hat den Preis nicht nur wegen des geschickt formulierten Antrags bekommen, sondern auch, weil sein Projekt einen Bezug zu der Hansestadt hat.

Der Ausgangspunkt von „Supercargo“ sind nämlich eine Reihe mit Winterbildern von niederländischen Malern aus dem 17. Jahrhundert. Sie hängen in der Kunsthalle Bremen. Bartsch will untersuchen, welches Verhältnis zwischen den Motiven dieser Bilder und den historischen Handelsbeziehungen der Hansestadt besteht: „Warum sammeln Bremer Kaufleute im 19. Jahrhundert Bilder, die 300 Jahre vorher in den Niederlanden gemalt wurden?“

In jener Epoche, die lange als „Goldenes Zeitalter“ verklärt wurde, war der internationale Handel der Niederländer extrem erfolgreich. Er gründete, wie auch der Reichtum der Hansestadt Bremen auf der Idee des europäischen Kolonialismus. Diesen Zusammenhang will Bartsch untersuchen. Interessant ist dabei auch die „kleine Eiszeit“ im 17. Jahrhundert, die einige Wis­sen­schaft­le­r*in­nen für eine schon damals zum Teil von den Menschen verursachte Klimaveränderung halten.

Ein spannendes Thema also, das Bartsch in der Form eines Essayfilms ausloten will. Dabei will er auch stilistisch etwas Neues versuchen: Als Dokumentarfilmer, der viel fürs Fernsehen gearbeitet hat, drehte er seine Film bislang mit digitalen Kameras. „Supercargo“ will er dagegen analog drehen, denn er will „ein historisches Thema mit einer Ästhetik kombinieren, die auch ein wenig historisierend ist“.

Die Herausforderung besteht hier in der Begrenzung aufs alte Material: „Das 16-Millimeter-Format ist teuer und erfordert viel mehr Aufwand. Da bin ich dann gezwungen, fünfmal darüber nachzudenken, welche Motive ich filme.“ Das sorgt für eine höhere Konzentration beim Drehen.

„Das 16-Millimeter-Format ist teuer und erfordert viel mehr Aufwand. Da bin ich dann gezwungen, fünfmal darüber nachzudenken, welche Motive ich filme“

Alexander Bartsch, Dokumentarfilmer

Da er plant, „nicht mit Menschen, sondern mit Bildern, Architektur, Monumenten im öffentlichen Raum sowie Archivmaterialien zu arbeiten, brauche ich den Zufall nicht. Ich weiß ja, was passieren wird.“ So ist seine Arbeitsweise hier anders als bei Dokumentarfilmen üblich. Es wird keine Materialsicherung geben, also keine Aufnahmen, die schon früh im Produktionsprozess gemacht werden, weil sich die Gelegenheiten für sie vielleicht später nicht mehr ergeben wird: „Sonst sammelt man erst einmal und dreht so viel Material wie möglich, um dann beim Schnitt alles zusammenzubauen. Ich mache es anders herum. Ich kann mit einem festen Drehplan losgehen und so wird der Dreh bei der Produktion das Allerletzte sein, das ich machen werde.“

Bis jetzt ist außer der Idee und dem Konzept noch nichts davon verwirklicht, denn Alexander Bartsch steckt noch mitten in den Dreharbeiten für ein anderes Projekt. Im Mai wird er dann für ein paar Wochen nach Bremen kommen, um dort zu recherchieren und nach Motiven zu suchen. Wohnen wird er dabei wahrscheinlich in einer Künstlerwohnung, die das Filmbüro Bremen vermittelt.

Denn dieses hat mit der Preisvergabe auch eine Art Patenschaft für den Film übernommen und wird deshalb Bartsch auch weiterhin auf der praktischen Ebene unterstützen. Auch in diesem Sinne ist der Förderpreis viel mehr wert als das gewonnene Preisgeld. Und so stehen die Chancen gut dafür, dass „Supercargo“ im Jahr 2025 in einem „Heimspiel“ des Bremer Filmbüro seine Premiere feiern kann. Dann allerdings wohl unter einem passenderen Titel.„Bilder einer Ausbeutung“ könnte ganz gut passen.

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