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Polka auf einer Samba-Party

Werder Bremen hält beim 0:3 gegen Bayer Leverkusen nur eine Halbzeit lang dagegen – oder immerhin eine Halbzeit?

Von Ralf Lorenzen

Heimniederlagen tun weh. Es gibt aber welche, nach denen Fußballfans trotzdem mit einem Lächeln das Stadion verlassen. „Wir haben den kommenden deutschen Meister gesehen“, sagten manche von ihnen anerkennend nach der 0:3-Niederlage von Werder Bremen gegen Bayer 04 Leverkusen. Bestätigen kann sich diese Vorhersage erst in einem halben Jahr – aber den Genuss, den zurzeit schönsten Fußball der Bundesliga gesehen zu haben, kann diesen Fans schon jetzt niemand nehmen.

Über hervorragende Individualisten wie Florian Wirtz oder Xavier Shaka verfügen auch andere Teams, aber kein anderes variiert Kurzpassspiel und vertikale Verlagerungen, schnelle Läufe und geduldigen Aufbau so rhythmisch wie Leverkusen: Ständig entstehen Dreiecke und Zentren an anderen Stellen des Platzes, tauschen die Offensivspieler die Positionen, orchestriert draußen Trainer Xabi Alonso sein Team mit tänzelnden Bewegungen.

Dabei kamen die Bremer sogar gut ins Spiel, hatten anfangs gute Aktionen. Aber nach dem Eigentor von Olivier Deman in der 9. Minute lief die Leverkusener Rhythmusmaschine warm – und ließ Werder bis zur Halbzeit wie Polka-Tänzer auf einer Samba-Party aussehen. In der letzten Saison noch wären die Bremer gegen einen Gegner, der „eine Nummer zu groß“ ist, so Kapitän Marco Friedl und Torwart Michael Zetterer, spätestens zur Halbzeit zu einer Spielverderber-Taktik übergegangen: Sie hätten sich weit zurückgezogen und lange Bälle in die Spitze geschlagen.

Dafür fehlt ihnen in diesem Jahr nicht nur eine Anspielstation wie Niclas Füllkrug. Trainer Ole Werner, der am Samstag trotz Erkrankung mit auf der Bank saß, versucht im zweiten Erstliga-Jahr unter seiner Regie auch das Bremer Offensivspiel auf ein neues Niveau zu bringen. Dazu passt, dass er Michael Zetterer ins Tor stellte, obwohl der langjährige Werder-Stammkeeper Jiri Pavlenka nach Verletzung nun wieder fit war.

Mit dem fußballerisch stärkeren Zetterer lässt sich von hinten heraus flexibler aufbauen. So gelangen auch den Grün-Weißen in der zweiten Hälfte nun schnelle Ballstafetten über mehrere Stationen. Aufgrund der geringeren individuellen Klasse endeten diese aber früher oder später in ungenauem Abspiel oder Abschluss. Dennoch trug diese mutige Spielweise zu einer ausgeglicheneren und unterhaltsamen zweiten Halbzeit bei. Kommende Woche, dann spielt Werder Bremen beim VfB Stuttgart, zählt dann wieder das nackte Ergebnis, um nicht in Abstiegsnot zu geraten.

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