: Mehr als Geld: nachhaltige Werte
Es lohnt sich, die finanziellen Seiten des Lebens offen anzugehen – über Zahlen und Konsum hinaus. Wer sich ehrlich mit materiellen Werten auseinandersetzt, kann nicht nur zwischenmenschlich viel gewinnen, sondern macht sich auch andere Werte bewusster
Von Lars Klaaßen
Geld stinkt nicht. Das haben zwar schon die alten Römer behauptet, aber eine feine Nase hatten sie in dieser Hinsicht nicht. Wer sich rücksichtslos finanziell bereichert, hinterlässt in der Regel unangenehme Spuren, auch denn dieser Preis anderswo anfällt und von anderen gezahlt werden muss. „Gerade weil Geld nur ein Medium ist, stellt sich immer die Frage, was man damit bewirkt“, sagt Nicole Rupp, die als Coach zu Aspekten von Geld und Beziehung berät. „Egal, ob man sein Geld für Konsum ausgibt oder es investiert, beides hat soziale und ökologische Folgen.“
Es ist paradox: Obwohl Geld in vielen Lebensbereichen eine große Rolle spielt, heißt es immer wieder, über Geld spricht man nicht. Die meisten Menschen kostet es Überwindung, dieses Thema anzuschneiden. Sie wollen bei anderen keinen Neid wecken oder gar ausgenutzt werden. Oder es ist ihnen peinlich, mit einem niedrigen Einkommen als vermeintlich erfolglos dazustehen.
Wie wichtig es ist, offener mit Geld umzugehen, zeigt ein Blick auf den Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen. Um den sogenannten Gender Pay Gap zu überwinden, muss man auch wissen, was vor allem die Kollegen verdienen und was man in den Gehaltsverhandlungen verlangen kann. Auch im Privatleben hat es Vorteile, offen darüber zu sprechen, was man verdient, besitzt oder geerbt hat. Warum sollte man mit vertrauten Menschen nicht teilen, welche Erfahrungen man mit bestimmten Geldanlagen gemacht hat, wie viel die eigene Miete beziehungsweise Immobilie kostet oder wie man sich mit einer Erbengemeinschaft geeinigt hat?
Das Problem: Meistens geht es bei Geld um mehr als Zahlen und Konsum. Denn Geld gilt zwar als ein rationales Thema – „in Wirklichkeit zählt es aber zu den emotionalsten“, meint Rupp. „Und gerade emotionale Themen werden stark tabuisiert – dazu zählen neben sexuellen auch die finanziellen Seiten des Lebens.“
Wer über wie viel Geld verfügt und was man damit tun möchte, prägt unser persönliches Leben und unseren sozialen Umgang miteinander. Vor allem da, wo ein Gefälle bei Besitz beziehungsweise Einkommen besteht, wirkt es sich auch auf unsere Beziehungen aus, wenn auch meist unausgesprochen und unbemerkt. Damit bewusst umzugehen, offen und ehrlich darüber zu kommunizieren, kann in Freundschaften und Familien vieles erleichtern.
Dabei sollte man im Blick behalten, dass Geld allein nicht glücklich macht, meint Rupp: „Der persönliche Finanzrahmen spielt in der Regel eine geringere Rolle, als viele denken. Über einem Jahreseinkommen von rund 80.000 Euro steigt das Glücksempfinden durch mehr Geld nur noch marginal.“ Es kann aber durchaus befriedigen, sein Geld für Sinnstiftendes einzusetzen: ob ökologische oder soziale Projekte, an engagierten Akteuren mangelt es nicht. Ein Investment kann selbstlos sein oder gutes Bewirken und dabei auch noch etwas für die Person abwerfen, die das Geld gegeben hat. Ob man einer gemeinnützigen Organisation etwas spenden möchte oder sein Geld bei einer Bank anlegt: Wichtig ist, genau hinzuschauen.
Persönliche Nähe
Der genaue Blick sollte bei der eigenen Person anfangen: Wer reinen Tisch machen will, sollte im ersten Schritt sich selbst gegenüber ehrlich sein und sich Klarheit über die eigenen Finanzen verschaffen. „Das bedeutet, dass man Einkommen und Vermögen den Ausgaben und gegebenenfalls Schulden gegenüberstellt“, erläutert Rupp. „Neben diesen Finanzen im engeren Sinne sind auch vorhandene Versicherungen relevant sowie Verträge, die man abgeschlossen hat. Daraus ergibt sich ein Bild der eigenen Möglichkeiten und manchmal auch Risiken.“
Natürlich müsse man nicht mit entfernten Bekannten über die eigenen Geldangelegenheiten sprechen. „Aber je näher Menschen sich sind, desto eher ist dies geboten“, empfiehlt Rupp. Denn nicht selten berührt die eigene finanzielle Situation auch die Interessen von Ehepartnern, Familienmitgliedern oder engen Freundinnen. Stellt man dagegen das Thema Geld so lange hinten an, bis es sich nicht mehr umgehen lässt, wird es umso verzwickter. Denn wenn beispielsweise eine Schuldenlast drückt oder ein Erbe in der Familie angetreten wird, ohne dass die Betroffenen zuvor informiert wurden, bleibt mitunter wenig Zeit, eine für alle angemessene Lösung zu finden.
Ein Gespräch über finanzielle Angelegenheiten kann sich mit drei verschiedenen Bereichen befassen. Erstens: Wie die Situation im Hier und Jetzt aussieht und was man daraus machen möchte beziehungsweise muss. Zweitens: Inwiefern man mittel- und langfristige Pläne verfolgen möchte und was dafür finanziell anzugehen ist. Selbst kleinere monatliche Geldbeträge, die etwa in nachhaltige Beteiligungen investiert werden, wachsen über die Jahre an. Drittens, mit Blick auf das eigene Lebensende: Welche Werte zählen für mich im Leben? Und wer kümmert sich um meine Werte, wenn ich dazu nicht mehr in der Lage oder verstorben bin – und zwar in meinem Sinne? „Es ist gut, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen“, rät Rupp. „Wo kann und möchte ich sinnvoll etwas stiften?“ Das kann eine gemeinnützige Organisation sein oder ein Nachhaltigkeitsfonds, der Hinterbliebene finanziell absichert und ökologisch lange Gutes bewirkt.
Die Kunst, loszulassen
Mit mir selbst: um meine Möglichkeiten, Grenzen und Risiken realistisch einzuschätzen.
Mit Familie und Freunden: um gemeinsame Spielräume, neue Ziele und vielleicht auch finanzielle Ungleichheiten auszuloten.
Mit Kollegen und der Chefetage: um zu erfahren, was meine Arbeit im Vergleich zu anderen Wert ist und um dafür zu sorgen, dass meine Leistung angemessen bezahlt wird.
Mit der Bank: weil die mit meinem Geld arbeitet und dabei nicht nur die Rendite zählt, sondern Investments auch ideelle Werte fördern können, etwa soziale und ökologische.
Spätestens wenn es um den eigenen Nachlass geht, empfiehlt es sich, mit den Menschen, die es betrifft, rechtzeitig und offen zu sprechen. „Jeder dieser Bereiche erfordert gegenseitiges Vertrauen“, sagt Rupp. „Doch vor allem wenn es perspektivisch daran geht, loszulassen, ist dieses Vertrauen eine unerlässliche Voraussetzung.“
Wer seine Finanzen geordnet hinterlassen möchte, kann hierfür einen Notfallordner erstellen. Das macht es Angehörigen im Todesfall deutlich leichter, das Richtige zu tun. Dort hinein gehören unter anderem Angaben zu bestehenden Bankkonten und Aktiendepots, Kopien von Miet- und Telekommunikationsverträgen sowie von sämtlichen Policen. Es empfiehlt sich zudem, einer vertrauten Person eine Bankvollmacht zu erteilen und eine Kopie davon in den Ordner zu packen.
„In ein offenes Gespräch mit den Erbinnen und Erben gehören auch Fragen danach, was mir wichtig ist und was nach mir bleiben soll“, betont Rupp. Nachhaltiges Investment über den eigenen Tod hinaus sollte die Hinterbliebenen miteinbeziehen. „Eine schöne Erfahrung beim Loslassen ist: Großzügigkeit fühlt sich großartig an!“
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