Kommentar von Bernd Pickert zum neuen „Speaker“ in Washington
: Sieg der Verhinderer

Nach über drei Wochen hat das US-amerikanische Repräsentantenhaus wieder einen Vorsitzenden und ist damit arbeitsfähig. Eigentlich ist das eine gute Nachricht. Kein Speaker, keine Gesetze, kein Haushalt – das konnte kein Zustand mehr sein. Wohl vor allem deshalb ging es jetzt plötzlich schnell, die republikanische Chaoten-Fraktion auf den weitgehend unbekannten evangelikal-konservativen Trump-Unterstützer Mike Johnson aus Louisiana einzuschwören.

Im Ergebnis haben allerdings diejenigen Hardliner, die vor drei Wochen den vorherigen Speaker Kevin McCarthy stürzten, ihr Ziel erreicht. Der Vorsitz ist politisch deutlich nach rechts gerückt. Genau wie die von Donald Trump, der zwar seinen Lieblingsrechtsaußen Jim Jordan nicht hatte durchbringen können, am Schluss aber kräftig daran mitwirkte, den deutlich moderateren Tom Emmer zu verhindern und Johnson auf den Thron zu hieven. Das wiederum dürfte bedeuten, dass es mit der tatsächlichen Arbeitsfähigkeit des Kongresses dann doch nicht so weit her ist. Denn jene, die den Putsch gegen McCarthy anzettelten und sich nunmehr durchgesetzt haben, sehen die Aufgabe des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses nicht darin, der Biden-Agenda ein paar konservative Tupfer abzutrotzen, sondern in konsequenter und kompromissloser Obstruktion.

Konkret wird das bedeuten: Für die weitere finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine wird es eng. Einen verabschiedeten Gesamthaushalt wird es bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr geben – Zwischenfinanzierungen werden sich die Republikaner mit immer neuen Kürzungsforderungen bezahlen lassen.

Johnson wird gleichzeitig versuchen, eine eigene Agenda zu setzen – und diverse Kulturkampfthemen zur Abstimmung bringen: Vom landesweiten Abtreibungsverbot bis zu Einschränkungen von LGBTQi-Rechten. Die haben zwar alle keine Chance, auch den demokratisch kontrollierten Senat zu passieren, nützen aber der rechten Profilierung im Wahlkampf.

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