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Aufstehen fürs Abhängen

Der Lichtenberger Jugendclub „Linse“ ist bedroht – jetzt verstärken die Jugendlichen den Protest

Von Peter Nowak

Seit Anfang Oktober versammelt sich jeden Mittwoch ab 17 Uhr eine Gruppe von Jugendlichen vor dem Rathaus Lichtenberg. Dazu gehört auch Lewin. „Wir sind hier, weil sie uns den Jugendclub Linse wegnehmen wollen“, ruft er in ein Megafon. Der Jugendclub befindet sich ungefähr 500 Meter vom Rathaus entfernt in der Parkaue an den S-Bahn-Gleisen.

Auf seiner Website bewirbt der Jugendclub noch seine vielfältigen Angebote. „Im offenen Bereich sind alle willkommen, die einen Ort zum Abhängen, Quatschen, Spielen und Ausruhen suchen. Jeden Montag und Freitag ist dieser für euch geöffnet“, heißt es da.

„Vor allem die Bandproberäume werden von Mu­si­ke­r*in­nen noch immer viel genutzt. Aber insgesamt ist das Angebot in letzter Zeit zurückgefahren worden“, sagt Salim, der auch zur Gruppe der protestierenden Jugendlichen vor dem Rathaus gehört. Sie sind im Solidaritätsnetzwerk Berlin aktiv. „Wir sind eine sozialistische Organisation und setzen uns für die Organisierung von Arbeiter*innen, Mie­te­r*in­nen und Jugendlichen ein“, sagt Lewin. Jeden ersten Dienstag im Monat laden sie seit über einem Jahr zum Stammtisch in der Linse ein. Sie unterhalten sich über Unterstützung von Arbeitskämpfen und verteilen Flugblätter gegen Sexismus und Rassismus.

Doch in den letzten Wochen wurde der Kampf für die Rettung des Jugendclubs zum zentralen Thema des Solidaritätsnetzwerks: „Es ist für uns eine politische Angelegenheit, dass Treffpunkte für die Jugend geschlossen werden sollen, weil angeblich kein Geld vorhanden ist, während Mittel in viele unnütze Projekte gesteckt werden“, betont Lewin. Er weist darauf hin, dass aktuell zwei weitere Jugendclubs aus finanziellen Gründen von Schließung bedroht sind: das Phönix in Lichtenberg und das Horn in Treptow-Köpenick.

„Es ist eine traurige Nachricht für uns alle, dass wir die Arbeit an den genannten Orten nicht weiter ausführen können“, sagte Michael Heinisch-Kirch, Vorstandsvorsitzender der Sozdia-Stiftung Berlin, die Trägerorganisation der Jugendclubs, bereits im März 2023 gegenüber dem Tagesspiegel. Doch die Gelder würden nicht reichen. „Wir haben keine andere Chance, als unsere Mittel auf unsere sechs verbleibenden Jugendklubs zu konzentrieren.“

Demo am Dienstag

Doch das wollen die solidarischen Jugendlichen nicht hinnehmen – und sie bekommen auch Unterstützung von der Kiezversammlung Lichtenberg, in der sich in unregelmäßigen Abständen solidarische Be­woh­ne­r*in­nen von Lichtenberg vernetzen. Sie rufen für diesen Dienstag zur Demo unter dem Motto „Rettet die Linse“ auf, die um 17 Uhr vor dem Jugendclub in der Parkaue 25 starten und zum Rathaus Lichtenberg ziehen wird.

Dort soll ab 19 Uhr im Jugendhilfeausschuss über die Schließung der „Linse“ gesprochen werden. „Wir wollen dabei Redezeiten für Jugendliche und Nach­ba­r*in­nen in Anspruch nehmen, die die ‚Linse‘ erhalten wollen“, kündigt Lewin ein turbulentes Treffen an.

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