FC Bayern blamiert sich im DFB-Pokal: Falsche Signale
Der 1. FC Saarbrücken sorgt gegen den FC Bayern München für eine Pokalsensation, auch weil der Favorit sich mächtig verzockt.
Der Deutsch-Französische Garten ist ein Juwel. Naherholungsgebiet, eine 50 Hektar große grüne Lunge mit See, Wasserorgel und Gulliver-Welt, sozusagen der Englische Garten Saarbrückens, am Rande der City, was einigen an diesem Abend sehr entgegen kam. Es war kurz vor zwölf, als die zwei roten Bayern-Busse dort vor dem Hotel hielten und eine Schar Großverdiener ausspuckte, die sich kurz zuvor ordentlich blamiert hatten. 1:2 verlor der Rekordmeister in Runde zwei des DFB-Pokals gegen Drittligist 1. FC Saarbrücken.
Eine dieser verrückten Pokalsensationen, von der man im Saarland noch lange reden wird, so wie sie dort heute noch auf das nicht minder verrückte 6:1 der Blauschwarzen von 1977 rekurrieren, als Fußballzwerge wie Luggi Denz und Harry Ellbracht die Riesen Beckenbauer, Maier und Müller düpierten. Lange her, aber anscheinend gibt es immer noch Menschen, die aus Altbekanntem nichts lernen wollen.
Ob Thomas Tuchel einer von denen ist? Wird er entschieden von sich weisen, den Gedanken. Hat er nach dem Spiel schon getan: „Es ist nicht so, dass wir überheblich waren oder nicht alles gegeben haben. Wir haben uns in der zweiten Halbzeit reingebissen, aber mit dem letzten Torschuss dann eine ganz bittere Pille gekriegt. Wir sind leider heute auf der falschen Seite der Pokalsensation.“ Wenn es denn so einfach wäre.
Ist es aber nicht. Wer wie Tuchel sein Team auf fünf Positionen verändert, von Beginn an Größen wie Kane, Musiala und Coman eine Pause gönnt, um stattdessen Ergänzungsspieler wie den jungen Frans Krätzig oder Buona Sarr, der in der letzten Saison genau zwei Minuten Spielzeit hatte, ins Spiel zu bringen, der sendet ein Signal: Geht auch so.
Vertrauen aufs B-Team
Ein Signal, das in zwei Richtungen wirkt: Den Underdog macht man damit noch kleiner, was keinem Underdog der Welt gefällt und wogegen er sich mit allen Mitteln wehren wird. Und dem eigenen Team suggeriert man: Wir sind so gut, dass wir auch mit dem B-Team gewinnen. Pustekuchen. Verzockt.
Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: frühe Bayernführung, gefolgt von pomadigem Verwalten, Zusammenbruch der defensiven Ordnung nach der Verletzung von Matthijs de Ligt (Kapselverletzung, am selben Knie wieder), zu späte Einwechslung von frischem Offensivpersonal, Knock-out in der Nachspielzeit mit dem ersten Torschuss des Gegners in Halbzeit zwei.
Tuchel sagt: „Da gibt’s jetzt 100 Erklärungen oder vielleicht auch keine. Es fühlt sich heute ein bisschen komisch an.“ Stimmt. Es stellen sich Fragen: Choupo-Moting, Tel und auch Sané haben keinen guten Tag erwischt, aber Torgarant Harry Kane läuft sich 45 Minuten lang warm – warum? Tuchel sagt: „Es war nur noch ein Wechsel. Ich wollte zur Verlängerung warten, falls Verlängerung ist. Ich musste erst mal abfragen, ob alle durchspielen können. Das hätte bedeutet, wir können nicht mehr wechseln.“ Kann man so sehen. Muss man aber nicht.
Während aus der FCS-Kabine in Klub-Lautstärke „Sara perche ti amo“ hämmerte, berichtete Tuchel: „Wir haben in der Kabine bereits gesagt, es ist kein Zeitpunkt, mit dem Finger aufeinander zu zeigen, kein Zeitpunkt, alles infrage zu stellen. Wir gewinnen zusammen, und wir verlieren zusammen. Es wird nicht die letzte Niederlage in unser aller Fußballleben bleiben.“ Aber eben eine unnötige. Eine, die noch im Ludwigspark ein Nachspiel hatte.
Nur eine Handvoll Spieler ging zu den Fans, der Rest verschwand wortlos in der Kabine. Dafür hatte Klassensprecher Thomas Müller kein Verständnis: „Unabhängig vom Spiel müssen wir da ein anderes Gesicht zeigen und unseren Fans den nötigen Respekt entgegenbringen, wenn die auswärts den Block vollmachen.“
Voll machten dann nach Mitternacht die FCS-Fans ihre Stadt: ein endloses Hupkonzert wie nach einem gewonnenen WM-Finale. Nur drüben im Deutsch-Französischen Garten hörte man höchstens mal eine Ente quaken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene