„Shutdown“ in den USA doch noch abgewendet

Im US-Kongress einigen sich Demokraten und Republikaner in letzter Sekunde auf einen Übergangshaushalt. Doch hält der die Regierung nur für weitere 45 Tage am Laufen

Der republi­kanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin ­McCarthy ist eine Schlüsselfigur im Ringen um den Haushalt Foto: J. Scott Applewhite/ ap/dpa

Aus Washington Hansjürgen Mai

Nur wenige Stunden vor dem Auslaufen der Frist haben sich die Mitglieder des US-Repräsentantenhauses und des Senats am Samstag auf einen temporären Haushaltsplan geeinigt, der die US-Regierung für weitere 45 Tage am Laufen hält.Der Aufschub bedeutet, dass die Kongressmitglieder nun bis zum 17. November Zeit haben, um die zwölf individuellen Haushaltsgesetze zur Finanzierung der US-Regierung zu verabschieden. Ansonsten käme es erneut zu einer Situation, die in einem sogenannten Shutdown der Regierung enden könnte.

„Innerhalb von 24 Stunden haben wir es geschafft, die verheerenden Einsparungen, welche die Gesundheit, Sicherheit und das wirtschaftliche Wohlbefinden von Ame­ri­ka­ne­r:in­nen beeinflusst hätten, abzuwenden und uns auf einen Haushaltsplan zu einigen, der die Bedürfnisse der amerikanischen Bevölkerung in allen Bereichen abdeckt“, sagte der demokratische Fraktionsführer Hakeem Jeffries nach der Abstimmung im Repräsentantenhaus.

Der Übergangshaushalt wurde von der breiten Mehrheit im Repräsentantenhaus am Samstagnachmittag (Ortszeit) verabschiedet. Demokraten ließen sich allerdings erst von der sogenannten ­Continuing ­Resolution überzeugen, nachdem die von Republikanern geplanten Kürzungen der Regierungsprogramme zur Unterstützung von sozial schwachen Familien von bis zu 30 Prozent aus dem Gesetzestext gestrichen wurden.

„Erst im letzten Moment entschloss sich Repräsentanten­haus-Sprecher [­Kevin] ­McCarthy, dem extremen rechten Flügel seiner Partei den Rücken zu kehren und mit Demokraten an einem parteiübergreifenden Haushaltsplan zu arbeiten. Dieser sichert die Finanzierung aller Regierungsprogramme und beinhaltet zusätzliche zehn Milliarden Dollar zur Katastrophenhilfe. Jetzt müssen wir nur noch die Ukrainehilfe sicherstellen, und das schnell“, sagte der demokratische Senator Sheldon Whitehouse vor der Senatsabstimmung. Doch irrte er, es ging um 16, nicht um zehn Milliarden Dollar Katastrophenhilfe.

Die fehlende Ukrainehilfe im Übergangshaushalt (siehe auch Seite 2) sorgte auf demokratischer wie auf republikanischer Seite für viel Unmut. Am Ende hätte sie beinahe zum Scheitern des temporären Haushaltsplans geführt. Der demokratische Senator Michael ­Bennet verzögerte die Abstimmung über den Gesetzestext im Senat. Er verlangte Zusicherungen, die garantieren sollten, dass die anhaltende finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine weiter oberste Priorität hätte.

„Beim Krieg in der Ukraine geht es nicht allein um die Ukraine. Es ist ein Kampf für die Demokratie“, erklärte der Senator aus Colorado. Die Führungsriegen beider Parteien im Senat bestätigten, dass sie sich dazu verpflichten, die Ukraine im Krieg gegen Russland auch künftig zu unterstützen. Bennet nahm seinen Einwand daraufhin zurück und stimmte für den Übergangshaushalt. Dass es überhaupt eine Last-Minute-Abstimmung im Kongress brauchte, um die USA vor einem möglichen Shutdown zu bewahren, liegt vor allem an den internen Machtkämpfen innerhalb der Republikanischen Partei.

Der rechte Parteiflügel will den seiner Meinung nach ausufernden Ausgaben der US-Regierung mit drastischen Kürzungen vor allem der Sozialprogramme Einhalt gebieten. Auch die Unterstützung der Ukraine soll nicht mehr nur durchgewunken werden.

„Wir wollen unsere Grenzen absichern. Wir wollen Unterstützung für unsere Grenzschützer sehen. Und wir wollen nicht weiterhin Geld für die Unterstützung eines inflationären, ausufernden und gefährlichen Kriegs in der Ukraine verschwenden“, sagte der Republikaner Matt Gaetz vom rechten Flügel seiner Partei bereits am Donnerstag.

Gaetz ist einer der schärfsten Kritiker von Sprecher ­McCarthy. Und nur kurz nachdem der Übergangshaushalt verabschiedet wurde, schrieb der Abgeordnete aus Florida auf X, dass eine Veränderung nötig sei. Laut US-Medien könnte es bereits in der kommenden Woche zu einem Versuch von republikanischer Seite kommen, McCarthy seines Amtes zu entheben.

Der Grund für den Beinahe-Shutdown sind die internen Machtkämpfe der Republikaner

„Falls jemand einen Antrag gegen meine Person stellen will, dann soll er das machen“, erwiderte McCarthy auf die Frage nach einer möglichen Meuterei aus den eigenen Reihen.

US-Präsident Joe Biden zeigte sich hingegen erfreut, dass der Kongress es doch noch geschafft habe, einen Shutdown in letzter Minute abzuwenden: „Es ist eine gute Nachricht für die amerikanische Bevölkerung.“

Doch trotz der 45 zusätzlichen Tage, die sich der US-Kongress am Samstag zur Lösung der Finanzierungsprobleme gegeben hat, sind die Probleme, die zur aktuellen Situation geführt haben, noch immer dieselben. Sollte es den Republikanern im Repräsentantenhaus nicht gelingen, Kompromisslösungen zu finden, die auch im Senat Bestand hätten, könnte es bereits am 17. November zu einem Déjà-vu in Washington kommen.