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Menschlicher Apparat

Von Benjamin Sauer (Fotos) und Jens Uthoff (Text)

Benjamin Sauer interessieren in seiner Arbeit die „Spuren, die die Menschen in ihren Umgebungen hinterlassen“. Oft seien sie Ausdruck von etwas Größerem, sagt der Berliner Fotograf, sie stünden für Geschichten, Biografien, Lebensentwürfe, Sehnsüchte. In früheren Arbeiten hat sich Sauer deshalb mit dem Innenleben des Bundestags („Bundestag“) oder mit der sehr deutschen Kultur der Kleingärten („Schrebergarten“) befasst.

„Amtszeichen“ heißt seine neue fotografische Arbeit, für die er sich in Räumen umgesehen hat, die für viele von uns als deprimierend, öde, kalt gelten, in denen wir kaum etwas Gutes sehen können: Sauer hat in Berliner Behörden fotografiert. Im Finanzamt, im Bürgeramt, im Jobcenter. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre hat er mehr als zehn Behördengebäude in der als besonders behäbig geltenden Hauptstadtverwaltung besucht. Sauer tat dies auch aus persönlichem Antrieb: Er selbst sei Freiberufler, könne sich schlecht mit Festanstellungsstrukturen arrangieren. „Behörden sind die Potenzierung des reglementierten Arbeitslebens“, erklärt er im Gespräch mit der wochentaz.

Doch in diesen Verwaltungsapparaten leben Menschen, hier gestalten sie ihren Arbeitsalltag so angenehm wie möglich – das drückt Sauers Fotografie aus. Da ist die Frau, die hinter ihrem Bildschirm sitzt; hinter ihr hängt ein „Tanz der Vampire“-Poster zwischen zwei Schränken, Blumenranken schlängeln sich am Aktenschrank entlang. Luftschlangen und eine „Happy Birthday“-Girlande für ein Geburtstagskind baumeln auf einem anderen Bild vor einem meterlangen Ablageregal. Aber da sind natürlich auch: Aktenmeter, „Eilt!“-Stempel auf Unterlagen, die Tristesse eines Wartezimmers. Und überall Nummern. Nummern, die man zieht, wenn man wartet; Nummern, die einen behördlichen Vorgang bezeichnen; Nummern von Zimmern, in die sich die Be­su­che­r:in­nen zu begeben haben.

Fotograf Benjamin Sauer, Jahrgang 1978, stammt ursprünglich aus Baden-Württemberg, ist aber seit Langem in Berlin zu Hause. Er hat gerade die Ostkreuzschule für Fotografie absolviert, die „Amtszeichen“ sind derzeit im Rahmen einer Abschlussausstellung des 17. Jahrgangs zu sehen.

Der Digitalisierungsstau, der auf seinen Bildern offenbar wird, das immer noch allzu papierne Behördendeutschland haben Sauer eher am Rande interessiert, im Fokus sollte das Interieur stehen. Was ihn besonders überrascht hat bei seiner Recherche? „Ich war erstaunt, wie offen, freundlich und motiviert die Angestellten waren.“ Die Menschen zwischen den Nummern und Buchstaben zu sehen – der Hauptbeweggrund für ihn, hier zu fotografieren. Und in der Tat, bei aller kafkaesker Anmutung, die die Amtsräume haben, schimmert immer hindurch, dass es Angestellte mit sehr menschlichen Bedürfnissen sind, die die Aktenberge zu bewältigen haben.

„Amtszeichen“, Abschlussausstellung der Ostkreuzschule für Fotografie, Georg-Knorr-Straße 4, Berlin noch bis 15. Oktober, und Localize Festival, Rathaus Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 79, 5. – 8. Oktober

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