Dicke Luft zwischen Polen und der Ukraine

Warschau will an Kyjiw nur noch jene Waffen liefern, die bereits vereinbart sind. Streit gibt's auch anderswo

Aus Warschau Gabriele Lesser

„Wir schicken keine Waffen mehr in die Ukraine, weil wir uns selbst mit den modernsten Waffen ausrüsten“ – mit dieser Aussage beim Privatsender Polsat löste Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Mittwochabend reichlich Wirbel aus. Zwar bleibe die mit den USA in der südpolnischen Stadt Rzeszow betriebene Drehscheibe für Waffen und humanitäre Hilfe, die aus vielen Staaten an die Ukraine geliefert werden, bestehen, so Morawiecki weiter. Doch wolle Polen eine der größten und stärksten Landarmeen Europas werden. Heißt: Rüstungsaufträge würden verstärkt an inländische Waffenschmieden vergeben. Insgesamt, so bekannte der Regierungschef, seien die polnisch-ukrainischen Beziehungen zur Zeit „schwierig“.

Stunden zuvor war der ukrainische Botschafter in Polen ins Warschauer Außenministerium einbestellt worden. Die von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) geführte Regierung wollte dem Botschafter ihre Verärgerung über den Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski bei den Vereinten Nationen ausdrücken. Selenski hatte dort nicht nur gefordert, Deutschland als ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat aufzunehmen. Bereits das hat in der PiS-Regierung, die gerne mit antideutschen Ressentiments arbeitet, für Empörung gesorgt. Die Ukraine, so Morawiecki, habe wohl vergessen, dass Polen ihr gerade zu Beginn des Krieges am meisten geholfen habe.

Zudem hatte der ukrainische Staatschef in New York auf drei EU-Staaten verwiesen, die durch ihr Embargo für ukrainisches Getreide Russland in die Karten spielten. Zwar erwähnte er nicht, dass es sich dabei um Polen, Ungarn und die Slowakei handelt, doch das wussten ohnehin alle, die die Nachrichten zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verfolgen. Die drei Staaten haben ein kürzlich ausgelaufenes EU-Importverbot für ukrainisches Getreide einseitig verlängert.

Brüssel hatte den Frontstaaten mit dem befristeten Embargo Zeit geben wollen, den Transit und Import von billigem Getreide und anderen Agrarprodukten aus der Ukraine zu regulieren und Maßnahmen zum Schutz der eigenen Bauern und Märkte zu ergreifen. Rumänien und Bulgarien war dies gelungen, Polen, der Slowakei und Ungarn hingegen nicht.

Beim Zwist um Getreide-Importe arbeiten beide Länder immerhin an einer Lösung

Dennoch deutet sich inzwischen eine Lösung an. So teilte die slowakische Regierung am Donnerstag mit, sich mit der Ukraine auf ein neues Handelssystem geeinigt zu haben. Bis dieses jedoch stehe, gelte noch bis zum Jahresende der Einfuhrstopp. Zwar kündigte Polen an, weitere Agrarprodukte aus der Ukraine auf die Import-Embargoliste zu setzen, woraufhin die Regierung in Kyjiw konterte, ebenfalls ein Importverbot für Agrarprodukte aus Polen zu verhängen und zudem die Welthandelsorganisation anzurufen. Doch ebenfalls am Donnerstag teilten die Agrarminister beider Länder nach einem Telefonat mit, sich um eine Lösung zu bemühen.

Auch mit Blick auf die Waffenlieferungen an Kyjiw sah sich Warschau am Donnerstag zu einer Klarstellung gezwungen: Ein Regierungssprecher betonte, dass bereits beschlossene Waffenlieferungen noch erfolgen sollten. „Polen realisiert allein die Lieferungen von Munition und Waffen, die zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen wurden“, sagte er. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius kündigte an, mit Warschau hier das Gespräch suchen zu wollen.