piwik no script img

Vom Saulus zum Paulus

Par­la­ment:­ Die Grünen finden Mieterschutz bei Wegner gut, vermissen aber das nötige Geld dafür

Von Stefan Alberti

„Großstadtbeauftragter“ der CDU war Kai Wegner schon, das Etikett „Rechtsausleger“ pappte früher an ihm, und vor seinem jetzigen Job als Regierungschef füllte er noch diverse CDU-Funktionen aus. Am Donnerstag fügt die Grünen-Mietexperten Katrin Schmidberger im Abgeordnetenhaus zwei weitere Etiketten hinzu: Wegner wurde aus ihrer Sicht jetzt „vom Saulus zum Paulus beim Mieterschutz“ – und das sei ja begrüßenswert.

Beim so krassen Wandel – im Original geht es um den Übergang vom Christenverfolger zum christlichen Glaubensverkünder – gibt es für die Grüne aber ein Problem: Für all das, was Wegner jüngst vor Journalisten skizzierte, müsse man auch etwas tun – und vor allem Geld dafür zur Verfügung stellen. „Es ist kein Personal für die Bekämpfung von Mietwucher eingeplant“, kritisiert Schmidberger.

Die Mietpreisbremse konsequenter anwenden, mehr den Wucherparagraphen des Strafrechts nutzen, der stark überhöhte Mieten abstraft – all das hatte Wegner den Journalisten vorgetragen. Er hatte schon im Herbst 2022 mit Ideen zu mehr Mieterschutz überrascht.

Der ist aus Schmidbergers Sicht auch dringend nötig, weil es zu wenig Wohnungen gibt – „bauen, bauen, bauen wollt Ihr, macht es aber nicht“, hält sie der schwarz-roten Koalition vor. Die privaten Partner des Senats seien „ein Totalausfall“, 60.000 genehmigte Wohnungen würden nicht gebaut. Und wenn die Grünen auf ein Baugebot drängten, lehne man das als nicht möglich ab. Mieten in den landeseigenen Wohnungen zu erhöhen, gehe zudem gar nicht.

Opposition fordert Abriss-Stopp

Was laut Schmidberger und Niklas Schenker, dem Mietexperten der Linksfraktion, weiter helfen würde: die sechs landeseigenen Wohnungsbaugenossenschaften gemeinsam zu führen, zumindest aber ihre Planungsabteilungen zusammenzulegen. Außerdem soll ein Abrissmoratorium her.

Schenker fordert in der Parlamentsdebatte noch einen kompletten Mietenstopp und einen Krisengipfel für sozialen Wohnungsbau samt Finanzspritze. Dass Regierungschef Wegner nun wie im vergangenen Herbst – damals noch als Oppositionschef – Mieterschutz propagiert, ist für Schenker eine bloße Reaktion auf ein angekündigtes zweites Volksbegehren zur Enteignung großer Immobilienbesitzer.

SPD und CDU halten zusammengefasst dagegen, dass die landeseigenen Unternehmen nur dann Wohnungen instandhalten und neue bauen könnten, wenn sie genug Geld in der Kasse haben. Von Bausenator Christian Gaebler (SPD) war Mitte September schon zu hören, in den landeseigenen Wohnungen wohnten „nicht nur die Ärmsten der Armen“. Zudem gibt es eine gewisse, künftig noch ausgeweitete Deckelung: die Bewohner sollen für die Miete nur noch höchstens 27 Prozent ihres Haushaltseinkommens ausgeben müssen – bislang waren es 30 Prozent. Das Fazit des Senators Richtung Opposition: „Was Sie hier veranstalten, ist viel Lärm um nichts.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen