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Schattenbäume schützen die Kaffeesträucher

Zum Schutz vor der immer stärkeren Sonne setzen Kaffeebauern Bäume und Bananen in ihre Parzellen. Eine holländische NGO honoriert das mit einem neuen CO2-Einspar-Mechanismus

Von Knut Henkel

In La Sierra, im Süden Kolumbiens, ist die Kaffeeernte gerade beendet. Die Kleinstadt mit 14.000 Ein­woh­ne­r:in­nen liegt eine gute Stunde südlich von Popayán, der Hauptstadt des Verwaltungsbezirks Cauca. Gegenüber vom Sitz der Genossenschaft Asogrupos rollen Jeeps, kleine Laster und Busse mit Dachgepäckträgern vorbei, auf denen buntgestreifte Säcke gestapelt sind. „Die Kaffeeernte geht zu Ende, und die Bauern bringen die getrockneten Bohnen zu ihren Genossenschaftszentralen“, sagt José Eduard Muñoz.

Der kräftige Mann Mitte 40 ist Kaffeebauer, eines der Gesichter der 120 Mitglieder zählenden Genossenschaft, die im Zentrum von La Sierra ihren Sitz hat. „Hier koordinieren wir unsere Arbeit, organisieren den Verkauf, diskutieren die Anbaukonzepte, bilden uns weiter und knüpfen Kontakte“, erläutert Muñoz. „Doch die eigentliche Arbeit findet auf den Farmen weiter südlich, am Eingang des Macizo Colombiano, statt.“ So nennt sich die Bergkette im Süden des Cauca, wo fast alle großen Flüsse Kolumbiens entspringen, ein andines Schutzgebiet, das für seine Artenvielfalt bekannt ist.

Dort wird Kaffee von mehreren Genossenschaften angebaut. Asogrupos ist eine davon, setzt allerdings konsequent auf die Anpflanzung von Schattenbäumen auf den kleinen Parzellen. Diese sind selten größer als vier Hektar. Das hat gleich mehrere Gründe. „Der Klimawandel sorgt dafür, dass die sensiblen Arabica-Sträucher mehr Sonne bekommen, als sie mögen“, so der Agrartechniker Muñoz, der für die niederländische Hilfsorganisation Solidaridad aktiv ist, aber aus der Region stammt. „Schattenpflanzen helfen uns dabei, die Bedingungen zu verbessern.“

Eine der Baumarten, der auf den Anbauflächen von Asogrupos zum Einsatz kommt, heißt „Tambor frijolito“. Ein positiver Nebeneffekt: Die Bäume binden Nitrat aus der Luft im Boden. Eine andere Art, auf die man setzt, heißt „Chacha fruta“. Auch Avocado, Obstbäume und Bananen werden auf den Farmen der Mitglieder zwischengepflanzt. „Das hat vielfältige Effekte: Es bringt zusätzliche Einnahmen, verbessert die Eigenversorgung der Haushalte, sorgt aber auch dafür, dass die Kaffeebüsche perspektivisch bessere Erträge bringen. Die sind derzeit ­niedrig.

Die gerade beendete Ernte ist um mindestens vierzig Prozent eingebrochen – verantwortlich dafür war zu viel starker Regen. „Der hat die Kaffeeblüten wegschwemmt, von den Ästen gespült, sodass sich weniger Kaffeefrüchte entwickeln konnten“, sagt Francisco Arias. Für ihn und die Genossin Esperanza Nieves sind das schmerzhafte Einbußen. Beide begrüßen, dass ihre kleine Genossenschaft aktiv nach Alternativen sucht: „Die Bäume, von den wir nun Setzlinge ziehen, kommen aus der Region, bremsen den Wind, reduzieren die Erosion, und die Blätter sorgen für Biomasse. All das führt dazu, dass wir die Fruchtbarkeit der Böden erhalten und sogar verbessern“, erklärt die 46-jährige Nieves. Effekte, die in der bergigen Region, wo Kaffee in einer Höhe zwischen 1.600 und 2.100 Metern angebaut wird, angesichts stark steigender Düngemittelpreise immer wichtiger werden.

Die Genossenschaft hat sich mit der Finca La Coceta eine Fläche zugelegt, die gemeinsam von allen Ge­nos­s:in­nen bestellt wird. „Eine Art Schulfarm mit rund 15 Hektar Fläche, wo wir experimentieren: mit unterschiedlichen Kaffeesorten, mit verschiedenen Schattenbäumen, und wo wir eine neue Schälmaschine installieren wollen, die wesentlich weniger Wasser benötigt“, so Muñoz. Der Agrartechniker plant auch, weitere Trockenzelte und eine Biokompost-Anlage aufzubauen. Möglich macht das die Unterstützung durch Solidaridad und die CO2-Einsparprämie.

„Wir erhalten für die von uns gepflanzten Bäume eine Prämie, weil sie CO2 einsparen“, so der Agrarexperte. Das innovative Modell hat Solidaridad im Verbund mit der holländischen Rabobank entwickelt. „Für uns stellte sich 2019 die Frage, wie die Bauern vom Anpflanzen der etwa 30.000 Schattenbäume profitieren können“, erklärt Eduard Merger von Solidaridad in Deutschland. Er ist für die Implementierung des Mechanismus mitverantwortlich und stand 2019 vor der Frage, wie sich so ein neues System mit Audits vor Ort, der Kontrolle der Farmen per Satellit und der Veräußerung von CO2-Einspar-Zertifikaten realisieren lassen könnte.

Avocado, Bananen und Tambor frijolito sichern die Kaffee-Erträge

„Zu teuer“, lautete damals die erste Analyse. Dann tauchte die Rabobank auf und mit ihr die digitale Plattform Acorn (Agroforestry Carbon Removal Units for the Organic Restoration of Nature). Die niederländische Genossenschaftsbank setzt auf einen CO2-einsparenden nachhaltigen Agrarforst-Ansatz, sie hat die Kosten für das Monitoring reduziert und die Preise pro Tonne eingespartes CO2 auf 20 Euro erhöht. Das war der Durchbruch, die Zertifikate werden nun an Unternehmen verkauft, die ihre Emissionen kompensieren möchten. „Neu ist, dass die Emissionsgutschriften über die Plattform für einen Mindestbetrag von 20 Euro pro Stück verkauft werden, von denen 16 Euro direkt an die Kaffeebauern und -bäuerinnen gehen“, sagt Merger. „Jede Farm wird per Satellit kontrolliert, und je mehr Biomasse die Bäume generieren, desto mehr Kohlenstoffgutschriften erhalten die landwirtschaftlichen Betriebe.“

In Kolumbien nehmen bislang rund 1.200 Bäuerinnen und Bauern an dem Programm von Solidaridad teilnehmen, darunter die 120 von Asogrupos. Wenn Ende des Jahres die erste Auszahlung erfolgt, komme sie genau zum richtigen Zeitpunkt, so José Eduard Muñoz. „Sie hilft uns, die Einnahmeausfälle durch die niedrige Kaffeeernte zu kompensieren und unsere Investitionen auf der Gemeinschaftsfarm La Coceta abzusichern.“ Das zusätzliche Einkommen soll die Bauern animieren, ihre klimafreundlichere Landwirtschaft zu intensivieren. Neue Einkommensquellen sind nötig, denn der Klimawandel macht nachhaltigen Kaffeeanbau arbeitsintensiver. Immerhin, die Perspektiven für die Ernte 2024 sind gut. „Erstmals nach drei Jahren hatten wir während der Kaffeeblüte keinen Starkregen“, so Muñoz. „Wir hoffen im nächsten Jahr auf eine gute Ernte.“

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