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Zwei zwischen links und rechts

Bei der Präsidentenwahl in Ecuador gibt es Mitte Oktober eine zweite Runde. Beide Kan­di­da­t:in­nen sind dabei nicht frei von Widersprüchen

Von Knut Henkel

„Wir gehen am 15. Oktober in eine zweite Wahlrunde“, erklärte die Vorsitzende des Wahlrats von Ecuador, Diana Atamaint, nach einem Wahlsonntag unter massiven Sicherheitsvorkehrungen. Da waren rund 90 Prozent der Stimmen ausgezählt und es war klar, dass kei­ne:r der Kan­di­da­t:in­nen die absolute Mehrheit erreicht hat. Als Erstplazierte geht nun die links­populistische Luisa González für die Bürgerrevolution des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa (2007–2017) in die Abstimmung, als Zweitplazierter der konservative Daniel Noboa. Erstere kommt auf 33 Prozent der Stimmen, der aus der ökonomischen Drehscheibe des Landes stammende Noboa auf knapp 24 Prozent.

González ist enge Vertraute Correas und bezeichnet ihn auch öffentlich als ihren wichtigsten Berater. Das hat der Frau, die lange alle Umfragen anführte, Stimmen gekostet, denn Correa ist ein für Korruptionsvergehen in Ecuador zu acht Jahren verurteilter Mann und polarisiert noch immer. Für die einen ist er der Präsident, der in Ecuador funktionierende Sozialsysteme aufbaute, die seine Nachfolger längst wieder demontiert haben, für die anderen hat er der Korruption im öffentlichen Sektor Tür und Tor geöffnet.

Das lässt sich belegen und der Mann, der viele Belege für die korrupten Strukturen zusammentrug, heißt Fernando Villavicencio. Er war der Präsidentschaftskandidat des Movimiento Construye (Baue) und wurde am 9. August von einem Killerkommando förmlich exekutiert – mutmaßlich im Auftrag eines Drogenkartells. Doch auffällig ist, dass Villavicencio trotz drei angezeigter Morddrohungen von den Sicherheitsbehörden nur wenig geschützt wurde. Deshalb hat die Familie Villavicencio Strafanzeige gegen den Staat gestellt und durchblicken lassen, dass es auch in den staatlichen Strukturen, rund um den Erdölkonzern Petroecuador, und in der Correa-Partei Bürgerrevolution Profiteure seines Todes gibt. Das und die Tatsache, dass Villavicencio einen Tag vor seinem Tod eine neue Anzeige gegen Rafael Correa wegen Veruntreuung und Korruption stellte und mit reichlich Datenmaterial versah, hat das Image der Bürgerrevolution und auch deren Kandidatin beschädigt – und Stimmen gekostet.

Davon hat auch Daniel Noboa, Sohn des Wirtschafts-Tycoons Álvaro Noboa, profitiert. Der 35-Jährige erklärte nach seinem überraschenden Einzug in die zweite Runde, die „Jugend“ habe ihn gewählt, um Correas Partei zu schlagen. Das ist nur die halbe Wahrheit, denn der in den USA ausgebildete Noboa, der mehrere Logistik-Unternehmen aufgebaut hat, ist der Sieger der letzten TV-Debatte zwischen den Kandidat:innen. Anders als sein erzkonservativer Vater, der mit Bananenexport reich geworden ist und für den Arbeitsrechte ein Fremdwort war, hat der Sohn sich als Liberaler präsentiert. Obendrein hat er kurz vor dem Urnengang für ein Sí zum Yasuní-Referendum plädiert und damit für das Ende der Erdölförderung in dem Schutzgebiet. Das dürfte ihm noch mal eine neue Wahlklientel erschlossen haben. Damit geht ein Duo in die Stichwahl, dass konträrer kaum sein könnte: eine Linkspopulistin, die für das tradierte Rohstoffexport-Modell des Landes eintritt und ein vermeintlich Konservativer, der sich für ein neues Wirtschaftsmodell starkmacht. Eine Wahl zwischen „Krebs und Aids“, sagt Jorge Acosta, Koordinator der Branchengewerkschaft Astac, die Plantagenarbeiter und Kleinbauern vertritt. Folgerichtig wird sich an der Polarisierung innerhalb der politischen Landschaft Ecuadors kaum etwas ändern.