: Armut bekommt Kredit
Bonner Tagung versammelt hilfreiche Geldverleiher
Wie können Kleinstkredite zur weltweiten Armutsbekämpfung beitragen? Mit dieser Frage beschäftigen sich 700 TeilnehmerInnen aus mehr als 50 Ländern auf einem Symposium in Bonn. Eingeladen hatte die „Ökumenische Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit“ – nach eigenen Angaben einer der weltweit größten privaten Finanzierer von Mikrokreditprogrammen.
Die Organisation feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen und verfügt über ein Kapitalvermögen von 200 Millionen Euro. Das Geld stammt sowohl von kirchlichen und weltlichen Organisationen, als auch von den etwa 23.000 Mitgliedern. Ziel der Genossenschaft ist die Armutsbekämpfung durch die Vergabe von Kleinstkrediten. Etwa 70 Millionen Euro sind zurzeit in örtlichen Mikrofinanzinstitutionen angelegt. Dabei kann es sich bereits um kleine Beträge von umgerechnet 50 Euro handeln. In den ärmsten Ländern dieser Welt sichert diese Summe oftmals den Aufbau einer beruflichen Existenz.
„Kleine Kredite mit großer Wirkung“ – so lautet dann auch das Motto der ethischen Geldverleiher, deren Bedeutung auch die Vereinten Nationen erkannt haben: Die UN haben das Jahr 2005 zum Jahr der Kleinstkredite erklärt.
„So ein Kredit ist das Beste, was man Menschen in unserer Situation bieten kann“, sagte in Bonn etwa Irene Castro Quilca. Die 51-jährige Bäuerin aus Peru hat vor einigen Jahren ihren ersten Kredit in Höhe von 250 Dollar bekommen. „Vorher drehte ich mich nur im Kreis, doch das war für mich der Durchbruch“, so die Mutter von vier Kindern. Mittlerweile besitzt sie ein kleines Stück Land und ist unabhängig von weiterer Unterstützung. Möglich gemacht hat dies der Kredit, hinzu kamen begleitende Fortbildungen über Unternehmensentwicklung. Oikocredit vergibt die Darlehen zu 80 Prozent an Frauen. Der simple Grund: Frauen zahlen zuverlässiger zurück. Im Gegensatz zu Männern tragen sie die Verantwortung für die Kinder und Familien, berichteten die Teilnehmer des Symposiums. Das Zurückzahlen gehört zur Unternehmensphilosophie. Die Geldempfänger arbeiten dann effektiver mit dem Geld, ist Oikocredit Geschäftsführer Tor Gull überzeugt.
Mit gemischten Gefühlen bewerteten die Teilnehmer das wachsende Engagement von Großbanken auf dem Gebiet der Mikrofinanzierung. Während einige Diskussionsteilnehmer darin eine Chance sahen, von den Banken zu lernen, und den Kreditinstituten umgekehrt dabei einige der ethischen Grundsätze von Mikrofinanz-Instituten mit auf den Weg zu geben, warnte Erich Stather vor voreiligem Optimismus: „Wir betreiben Entwicklungshilfe, die Banken wollen verdienen“, hielt der Staatssekretär aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unmissverständlich den Unterschied fest. „Bisher sind unsere Erfahrungen nicht die Besten“, so Stather über das neue Engagement der Großbanken. MARTIN OCHMANN