Hamburg trippelt Richtung Klimaschutz

Der Senat setzt sich mit dem neuen Klimaschutzgesetz ambitionierte Ziele. Aber die Maßnahmen, um diese zu erreichen, halten Umweltverbände für völlig ungeeignet

Klimaschutzplan: Begrünte Dächer soll es künftig in Hamburg häufiger geben Foto: Marcus Brandt/dpa

Von André Zuschlag

Es sind ambitionierte Ziele, die Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Dienstag vorstellte: Mit der Novellierung des Hamburger Klimaschutzgesetzes sollen die CO2-Emissionen bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 sinken, 2045 soll Hamburg gar CO2-neutral sein. „Der klimafreundliche Umbau der Stadt nimmt weiter zügig Fahrt auf“, sagte Kerstan. Ob der vorgelegte Klimaplan, der die Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele auflistet, ausreicht, ist fraglich. Die Kritik jedenfalls kommt von vielen Seiten.

Viele Einzelmaßnahmen sollen helfen, die Klimaziele zu erreichen. So wird etwa ab dem kommenden Jahr erstmals auch für Bestandsgebäude eine Photovoltaik-Pflicht gelten. Wer sein Dach in größerem Umfang sanieren will oder reparieren muss, muss mindestens 30 Prozent der Fläche mit Solar­anlagen versehen. Die Dächer von Neu- wie von Altbauten sollen von 2027 sowohl begrünt als auch mit Solaranlagen bestückt werden. Wenn künftig in größerem Umfang neue Parkplätze entstehen, müssen diese überdacht werden, sodass dort ebenfalls Solarenergie erzeugt werden kann.

Zu den Maßnahmen, die bis 2030 am meisten CO2 einsparen sollen, gehört der Kohleausstieg in der Fernwärme, den Kerstan auf einem guten Weg sieht. Hinzu sollen 80 Prozent der Verkehrswege dann mit dem ÖPNV, Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Hinsichtlich des Gebäudesektors will Kerstan bis 2030 die jährliche energetische Sanierungsrate von 1 auf 1,5 Prozent steigern. „Das sind die drei großen Stellschrauben, an denen wir drehen können“, sagte er am Dienstag. Zugleich machte er klar, dass die Hamburger Klimaziele nur erreicht werden, wenn der Umbau der Energieversorgung auf Bundesebene gelingt, sich also der Anteil erneuerbarer Energien bis Ende des Jahrzehnts wie vorgesehen verdoppelt.

Malte Siegert, Vorsitzender des Nabu Hamburg, hält die Maßnahmen „in der Summe kaum dazu geeignet, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern“. An größere, wirksamere Maßnahmen habe sich der Hamburger Senat nicht heran­getraut: „Anstatt überhaupt noch neue KFZ-Parkmöglichkeiten zu schaffen, sollten vor allem bestehende Parkplätze etwa von Supermärkten oder schlecht genutzten Hafenflächen mit einer Photovoltaik-Pflicht versehen werden“, sagt Siegert. Und der natürliche Klimaschutz, etwa durch Renaturierung von Gewässern, Wäldern und Mooren, komme im Klimaschutzgesetz viel zu kurz.

Ähnlich kritisch ist der Umweltverband BUND. Auch er hält die Maßnahmen für nicht weitreichend genug. Es sei utopisch zu glauben, dass damit die anvisierten Ziele erreicht werden, so die Vorsitzende des BUND Hamburg, Sabine Sommer. Besonders vermisst Sommer eine Festlegung von Zwischenzielen. Es müsse jährlich überprüft werden, ob Hamburg mit den Maßnahmen den CO2-Reduktionszielen konsequent näher­kommt.

Tatsächlich hat Hamburg schon jetzt ein Problem mit der Datenlage: Obwohl das Jahr 2023 weit fortgeschritten ist, liegen noch immer erst die Zahlen zu den CO2-Emissionen für 2021 vor. Bringen Maßnahmen nicht den gewünschten Effekt, wird das also erst mit Verzögerung bekannt. Angesichts der kurzen Zeit bis zum 70-Prozent-Ziel ist kaum noch Zeit, um umzusteuern.

Auch die Opposition in der Bürgerschaft zeigt sich wenig beeindruckt von den Plänen des Umweltsenators. Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion, bemängelt, dass für die anvisierten Ziele bislang keine adäquaten finanziellen Mittel bereitgestellt werden. „So muss den Menschen auch die Angst vor finanziellen Belastungen genommen werden“, sagt Jersch. Auch glaubt die Linksfraktion nicht, dass der rot-grüne Senat eine grundlegende Verkehrswende weg vom Autoverkehr betreiben werde. Die CDU-Fraktion sieht jegliche Auflagen für die Wirtschaft und die Bür­ge­r:in­nen als Bedrohung.

Dass die Kritik an den Maßnahmen groß ist, überrascht Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) nicht. Er hält sie selbst nicht für ausreichend

Dass die Kritik an den Maßnahmen groß ist, überrascht Kerstan nicht. Er hält sie selbst nicht für ausreichend: „Das ist nicht alles, was klimapolitisch nötig ist.“ Mehr sei jedoch angesichts starker Widerstände beim Klimaschutz für den Senat nicht möglich gewesen. Wohl auch deshalb will Hamburg Maßnahmen zur Anpassung an das Klima verstärken. Da sich diese Aufgabe durch bereits spürbare Folgen des Klimawandels stark vergrößert habe, will Kerstan noch in diesem Jahr ein „Extra-Paket schnüren“.

Bis dahin soll auch die Bürgerschaft das vom Senat beschlossene neue Klimaschutzgesetz samt Klimaplan beschlossen haben, sodass es ab dem 1. Januar 2024 gilt.