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Er hatte was zu sagen

Vor einem Jahr starb Hans-Christian Ströbele, Anwalt, Politiker – und Gründer der taz. Unser Autor hat kurz vor seinem Tod mit ihm über die ersten wilden Jahre der Zeitung gesprochen. Herausgekommen ist ein historisches Zeugnis

Vergeistigt wirkte Hans-Christian Ströbele im Sommer vergangenen Jahres, nach zehn Jahren mit zwei unheilbaren Krankheiten. Engelsweiß die langen Haare, die Haut dünn wie Pergament, aber die Stimme fest und fröhlich. Hinter dem mas­siven Schreibtisch seines Arbeitszimmers mit Blick auf die Spree, unter einem vier Meter hohen Regal gefüllt mit Aktenordnern, rollte er auf seinem Stuhl hin und her und sprach über die Politik und sein ­Leben – wobei das für ihn eigentlich dasselbe war.

Im März 2022 hatte ich damit begonnen, ihn mindestens einmal im Monat zu besuchen und zu befragen. Über sein politisches Erwachen 1967 in West-Berlin, sein Leben als Anwalt, die Konsequenzen aus dem russischen Überfall auf die Ukraine und natürlich auch über die Gründung der taz.

Denn kennengelernt hatte ich ihn Anfang 1978, mehr als ein Jahr bevor wir die taz täglich produzierten, in der West-Berliner taz-Ini. Er hatte sich schon ein Jahr lang mit einem kleinen Kreis undogmatischer Linker getroffen, um den Traum der 68er von einer kritischen linken Tageszeitung zu verwirklichen, und nach dem euphorischen Tunix-Kongress im Januar 1978 war ordentlich Schwung in das Projekt gekommen. Eine linksradikale, grüne Tageszeitung wäre auch ohne ihn gegründet worden, die Verwirklichung dieser Idee lag einfach in der Luft in den Jahren nach der Entstehung der Anti-Atom-Bewegung, der Neuen Frauenbewegung oder auch der Schwulenbewegung.

Aber Christian, wie wir ihn nannten, war die wichtigste Person im taz-Gründerkreis, zu dem Initiativen in 30 Städten mit insgesamt mehreren hundert Menschen gehörten. Er war als furchtloser Anwalt der Kommunarden Dieter Kunzelmann und Fritz Teufel bekannt, als Verteidiger von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und anderen Gründern der Rote Armee Fraktion.

Bei der gemeinsamen Aufbauarbeit war er solidarisch, ohne Führungsanspruch, ein erfrischender Teamplayer und Pragmatiker, gleichzeitig prinzipientreu. Wenn wir Jüngeren uns in Kontroversen verrannten, holte er uns auf den Boden zurück oder wartete, bis wir uns abgeregt hatten.

Am 23. Mai 2022 und noch mal am 20. Juni 2022 haben Christian und ich gemeinsam versucht, die Anfänge der taz zu rekonstruieren. Christian, der als Jurist immer für eine ordentliche Aktenführung gesorgt hatte, ging noch mal in seine Unterlagen, um bestimmte Vorgänge und Erinnerungen zu verifizieren.

Auf dieser Grundlage ist das folgende Gespräch entstanden, das er danach noch zwei Mal korrigierte. Es ist ein historisches Zeugnis über die ersten wilden Jahre dieser Zeitung bis zur Gründung der taz-Genossenschaft 1991.

Anfang Juli vergangenen Jahres wollten wir uns erneut treffen, um noch ein paar Einzelheiten der taz-Historie zu vertiefen, doch dazu kam es nicht mehr. Christian war im Badezimmer gestürzt und hatte sich schmerzhafte Brüche zugezogen, von denen sich sein geschundener Körper nicht mehr erholte. Am Morgen des 29. August 2022 starb er in seiner Wohnung in Berlin-Moabit.

Auch, um an den beeindruckenden Politiker und Menschen Christian Ströbele zu erinnern, der für die taz so wichtig war und dem die taz so wichtig war, veröffentlichen wir dieses Gespräch.Michael Sontheimer

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