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Personalnot am Hamburger AmtsgerichtLange Wartezeit für Gerichtstermine

Unbesetzte Stellen und Aktenberge: Dem Amtsgericht Hamburg fehlt Personal. Besserung ist nicht in Sicht. Das Problem hat nicht nur Hamburg.

Zeitnah wird das nichts mit der Bearbeitung: Akten auf einem Gerichtstisch Foto: Sina Schuldt/dpa

Hamburg taz | Das Hamburger Amtsgericht kommt bei der Bearbeitung der eingehenden Fälle nicht mehr hinterher. Es gibt zu wenig Personal. Betroffen sind sensible Bereiche wie Unterhalts-, Vormundschafts- oder Mietklagen. Klä­ge­r:in­nen müssen Monate auf einen Gerichtstermin warten – wenn ihr Fall vom Amtsgericht nicht als eilig eingestuft wird. Das Gericht zeigt sich einsichtig, stellt jedoch keine zeitnahe Besserung in Aussicht.

„Es ist schlicht und ergreifend eine Katastrophe“, erzählt Rechtsanwältin Waltraud Zink der taz. Sie berät für den Mieterverein zu Hamburg Mie­te­r:in­nen bei Rechtsstreitigkeiten. Eingereichte Klagen würden nicht weitergegeben, Schriftsätze viel zu spät versandt. „Früher war eine einfache Mietsache in einem dreiviertel Jahr durch, inzwischen habe ich Sachen, die sich seit zwei Jahren ziehen.“

Dem Personal an den Gerichten möchte Zink keinen Vorwurf machen, die seien selbst an der Belastungsgrenze oder darüber hinaus. Gehe man durch die Flure eines Gerichtsgebäudes, werde die Situation deutlich: Oft sei nur ein Viertel der Arbeitsplätze besetzt.

Für betroffene Mie­te­r:in­nen ziehe sich mit den lang andauernden Verfahren auch die psychische Belastung enorm in die Länge, sagt Zink. Der Zugang zu Prozesskostenhilfe sei durch die Personalprobleme ebenfalls erschwert. „Das heißt, Menschen mit weniger Geld haben höhere Hürden, bis sie endlich ihre Ansprüche geltend machen können.“ Ist ein Rechtsstreit dann gewonnen, dauert die Zwangsvollstreckung deutlich länger, wenn beispielsweise Vermietende trotz Urteil die Mietkaution nicht zurückzahlen – und das komme durchaus regelmäßig vor.

Personalmangel dauert über Monate an

Eine „Kapitulation der Justiz“ nennt Christian Lemke, Präsident der Rechtsanwaltskammer Hamburg, die Situation am Amtsgericht in einem Schreiben an die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Menschen, die unbedingt auf die Bearbeitung ihrer Fälle angewiesen seien, dürften nicht monatelang hingehalten werden.

Ausgangspunkt für das Schreiben an die Senatorin ist eine Stellungnahme von Julia Kaufmann, Direktorin des Zivilsegments am Amtsgerichts. In dieser geht es unter anderem um eine über Monate andauernde kritische Personalsituation, um Aktenberge und um die Priorisierung der Anfragen nach Dringlichkeit.

Eine schnelle Besserung der Personalprobleme stellt das Amtsgericht nicht in Aussicht. Die Bewerbungslage sei durchweg schlecht, es mangele sowohl an Quereinsteigenden als auch an Auszubildenden. Dennis Sulzmann, Sprecher der Justizbehörde, erklärt: „Aufgrund des demografischen Wandels und der großen Besetzungsnot hat die Justizbehörde die Ausbildung schon 2016 aufgestockt und 2018 noch mal verstärkt.“

Seitdem habe man jedes Jahr Ausbildungsplätze für 40 Jus­tiz­se­kre­tä­r:in­nen sowie 20 Justizfachangestellte. In der aktuellen Legislaturperiode seien außerdem 71 Stellen für Richter:innen, Staatsanwält:innen, Rechts­pfleger:innen, Geschäftsstellenmitarbeitende und Jus­tiz­wacht­meis­te­r:in­nen neu geschaffen worden.

Die neuen Stellen und Ausbildungsplätze zu besetzen ist derweil die Hürde, an der die Justizbehörde scheitert. Dabei wurden die Bewerbungsverfahren bereits vereinfacht und die Ausbildungen lassen sich teils im Eiltempo innerhalb eines halben Jahres absolvieren.

Weil das alles nicht ausreicht, bemüht sich die Justizbehörde auch mit Hilfe von Werbekampagnen um neues Personal. Bereits im September 2022 hatte Amtsgerichtspräsident Hans-Dietrich Rzadtki die Lage als „desolat“ bezeichnet, trotz Ausbildungsoffensive gebe es weniger Fachpersonal. Die Folge: Aktenberge.

Deutscher Richterbund meldete sich schon vor einem Jahr

Die Diagnose Personalmangel ist indes nicht allein ein Hamburger Problem. Der Deutsche Richterbund hatte bereits vor einem Jahr auf die kritische Personallage im Rechtssystem hingewiesen und dabei eine zu langsame Umsetzung des sogenannten Bund-Länder-Paktes für den Rechtsstaat kritisiert. Der Pakt für den Rechtsstaat wurde noch unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel in Zusammenarbeit mit den Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen der Länder im Januar 2019 beschlossen. Der Bund stellte den Ländern 220 Millionen Euro für die Aufstockung des Personals in Aussicht.

Die mit dem Geld geschaffenen Stellen und Ausbildungsplätze sind nun zwar da, wie in Hamburg fehlen jedoch vielerorts die Quer­ein­stei­ge­r:in­nen oder Auszubildenden.

„Gerade in einer Zeit, in der wir aktiv das Vertrauen in den Staat, die Demokratie und den liberalen Rechtsstaat stärken müssen, muss die Ausstattung der Justiz noch mehr in den Fokus genommen werden“, fordert Sulzmann.

Für eines, erzählt Anwältin Zink, sei sie in der aktuellen Lage jedoch dankbar: Die Räumungsklagen „gegen alte Mieter“, die zugenommen hätten, könnten aktuell vom Amtsgericht oft nicht schnell behandelt werden. „Dadurch kann ich die Mieter länger in den Mietverhältnissen halten und besser schützen.“ Besetzte statt offenen Stellen und wieder einen schnelleren Zugang zum Recht für ihre Kli­en­t:in­nen wären der Anwältin natürlich noch ein bisschen lieber.

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