Maßnahme gegen Konflikte im Park: Grün und gesprächsbereit
Parkläufer:innen sind im Sommer verstärkt auf Kontrollgang – ohne Strafen zu verteilen. Kann das funktionieren? Am Jahresende wird geprüft.
„Manchmal wollen die Menschen nicht hören, dann stehen wir gern mal zwei Stunden neben dem Feuer, bis es endlich ausgemacht wird“, berichtet Yahya beim Stopp vor der Schale. Wieso es die beiden kümmert, was am Tegeler See schief läuft? Weil es ihr Job ist – die beiden sind Parkläufer:innen.
In ihren grünen T-Shirts oder Westen durchstreifen sie die Berliner Parks und sprechen Passant:innen an, wenn diese etwa ihren Müll liegen lassen oder den Hund nicht anleinen. Ist auf dem Kinderspielplatz die Schaukel kaputt, benachrichtigen sie das Straßen- und Grünflächenamt, bei Vermüllung rufen sie die Stadtreinigung.
Inzwischen sind die Läufer:innen auch digital unterwegs. „Einmal hat sich jemand beschwert, dass die Parkläufer:innen ständig am Handy seien“, berichtet Elisabeth Jedan, die am Tegeler See als Parkmanagerin die Parkläufer:innen koordiniert und auch für Yahya und Maria José Flores Carrinõn zuständig ist. Dabei hätten die Läufer:innen lediglich per App Routendaten abgerufen und Beobachtungen eingetragen.
Die Protokolle der Touren werden dann im Bauwagen geschrieben und an die Parkmanager:innen weitergeleitet, die schließlich wiederum Meldungen an die städtischen Betriebe oder Ordnungsämter geben. So sollen die Betriebe effizient informiert werden.
Durch das Projekt sollen Konflikte verhindert werden
Selbst Strafanzeigen schreiben, Personalien aufnehmen oder gar ein Betretungsverbot für die Parks verhängen dürfen die Parkläufer:innen nicht. Dazu müssten sie die Polizei um Unterstützung bitten. Ein Grund, wieso es hin und wieder sehr lange dauert, bis die Besucher:innen einsehen, ihr Feuer auf dem „Denkmalgrill“ wieder zu löschen. Diese sanfte Handhabe ist aber genau so erwünscht: „Die Parkläufer:innen sind praktisch eine dritte Instanz neben Polizei und Ordnungsamt“, sagt Parkmanagerin Jedan.
Sind die Grünwesten jetzt die neuen spießigen Nachbarn, die einen doof anquatschen? Nein, sagt Jedan bestimmt. Stattdessen wolle man Ansprechpartner vor Ort sein, niedrigschwellige Aufklärungsarbeit leisten und auf Fehlverhalten hinweisen. Konflikte von Nutzergruppen sollen so verhindert und die Ordnungsbehörden und Grünflächenämter entlastet werden, heißt es in einer Broschüre.
Und im Alltag? Viele Besucher:innen seien dankbar, da sie die Regeln gar nicht auf dem Schirm hätten, meint Yahya. Die grünen Shirts würden ihrem Zweierteam bei den meisten auch etwas Autorität geben, erzählt Maria José Flores Carrinõn.
In über 40 Parks unterwegs
Das Projekt „Parkläufer“ war 2016 als Teil eines niedrigschwelligen Maßnahmenpakets vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg für den Görlitzer Park ins Leben gerufen worden. Die Parkläufer sollten dafür sorgen, dass die Dealer ihre Drogen nicht so aufdringlich anbieten und Parkbesucher:innen sich an die in öffentlichen Grünanlagen geltenden Regeln halten.
Auch das Ordnungsamt sollte damit entlastet werden. Die Idee klang simpel: Im Kiez verwurzelte Menschen, die die Gegend und die Leute kennen, sind ansprechbar und kommunizieren ohne Drohkulisse die Regeln in der Hoffnung, damit im nachhaltigen Sinne Gehör zu finden.
Alle Probleme im Görlitzer Park konnten dort auch die Parkläufer:innen nicht lösen, die Folgen konnten sich dennoch sehen lassen, zumindest tagsüber: Familien kehrten zum Picknick in zurück, Jogger:innen drehten wieder ihre Runden. Nach Einbruch der Dunkelheit, wenn der Görlitzer Park sein Gesicht verändert, wird die Grünanlage, die gerade wieder Schlagzeilen schrieb, von vielen aber nach wie vor gemieden.
Ab 2019 hat die Senatsverwaltung für Umwelt das Konzept aus Kreuzberg in Form eines Pilotprojektes ausgeweitet. In über 40 Parks gibt es jetzt die grünen Patrouillen. Die Probleme variieren je nach Grünanlage von alkoholintensiven Partys bis zu arg rasanten Radler:innen, die auf Senior:innen achtgeben sollen.
6 Millionen Euro zahlt der Senat für das Pilotprojekt
Am Tegeler See geht es eher um Letzteres, die Promenade ist abseits einzelner Raser:innen recht gemütlich. Yahya und Maria José Flores Carrinõn kennen aber auch Anlagen, in denen es anders zugeht: An ihrem zweiten Standort etwa, dem Schäfersee, gebe es hin und wieder viele Betrunkene, mit denen man schwer reden könne.
Da die Bezirke die Parkbetreuung an Externe ausschreiben, sind Yahya und Maria José Flores Carrinõn bei der auf Parkläufer spezialisierten Firma SI³ angestellt, Parkmanagerin Elisabeth Jedan arbeitet bei der Tochterfirma thinkSI³. Nur beim Ursprungsbezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind die Stellen direkt beim Bezirksamt ausgeschrieben. Die Senatsverwaltung für Umwelt unterstützt das Pilotprojekt mit rund 6 Millionen Euro, außerdem geben die Bezirke eigene Gelder hinzu.
Weil sie viel draußen sind, Fahrrad fahren und Kontakt zu Menschen haben, macht die Arbeit den beiden Spaß. „Viele kennen uns schon und kommen bei Problemen auf uns zu“, erzählt Yahya – als etwa diesen Sommer eine Frau ohnmächtig vom Rad kippte, als sie gerade auf Kontrollgang waren. Erste Hilfe gehört zur Ausbildung als Parkläufer:in dazu, ansonsten müsse man vor allem auf Menschen zugehen können, so Jedan.
Yahya hat über Freunde, Maria José Flores Carrinõn von ihrem Ex von der Arbeit erfahren. Sie studiert parallel Wirtschaftsinformatik und ist drei Tage pro Woche am Tegeler See, Yahya ist in Vollzeit beschäftigt. In der Freizeit kämen sie nur selten an ihre Seepromenade, sagen beide. Sie sei ihr Arbeitsplatz – hier zu entspannen somit schwer. Tatsächlich sprächen sie inzwischen sogar manchmal privat Leute an, wenn sie in Parks unterwegs sei, erzählt Flores Carrinõn.
Positive Bilanz
Bis Ende des Jahres soll das großflächige Pilotprojekt bewertet werden, anschließend wird beraten, ob die Parkläufer:innen fester Bestandteil des Parkalltags werden. Bisher scheint die Senatsverwaltung positiv gestimmt: Das Sicherheitsempfinden von Parknutzenden sei durch das Projekt erhöht, die niedrigschwellige Ansprache von Besucher:innen hätte die Vermüllung stark reduziert. Aber auch Schäden würden jetzt schneller bei den städtischen Betrieben ankommen und örtliche Initiativen hätten sich besser mit Polizei und Sozialämtern vernetzt.
Bevor Ende des Jahres über die berufliche Zukunft der Parkläufer:innen entschieden wird, müssen auch die Bezirke das Projekt bewerten. Yahya will weiter bei SI³ arbeiten, Maria José Flores Carrinõn zumindest so lange, bis sie ihr Studium beendet hat. Wie es auch kommt, diesen Sommer haben beide sicher noch viele Parkwege abzugehen und dabei manches Feuer zu löschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja