Finnland: Minister für nur zehn Tage

Wegen seiner Verbindungen zur Neonazi-Szene muss Wirtschaftsminister Junnila gehen

Von Reinhard Wolff, Stockholm

Schon nach 10 Tagen verlor Finnlands Rechtsregierung am Freitag ihr erstes Kabinettsmitglied. Der der Partei der Wahren Finnen angehörende Wirts haftsminister Vilhelm Junnila musste seinen Hut nehmen. Seine Stellung war unhaltbar geworden, nachdem es eine breite öffentliche Debatte über Details seiner schon länger bekannten Verbindungen in die Neonazi-Szene gegeben hatte.

So beispielsweise ein Auftritt, den er 2019 als Hauptredner bei einer Veranstaltung hatte, die Medien als Treffen der „Who’s who finnischer Neonazis“ einstuften. Auch bei dem von einer Nachfolgeorganisation der „Soldiers of Odin“ bis zu der ein Jahr später verbotenen „Nordischen Widerstandsbewegung“ die gewaltbereitesten Neonazi-Gangs Finnlands vertreten waren. Auf Medienfragen versuchte sich Junnila damit herauszureden, dass ihm die teilnehmenden Organisationen im einzelnen gar nicht bekannt gewesen seien.

Was allerdings ebenso wenig glaubwürdig war wie sein Versuch, antisemitische Äußerungen und die Verwendung von Nazi-Codes und -Symbolen in sozialen Medien und Wahlkampagnen mit einer „zeitweisen Neigung zu dummen Scherzen“ zu erklären. Solche Art „Humor“ sei tatsächlich eine übliche Praxis der extremen Rechten, um ihre Botschaften zu verbreiten, sich aber gleichzeitig zur Not wieder mit „gar nicht so gemeint“ davon zu distanzieren, analysierte der Kulturwissenschaftler Riku Löf. Außerdem hat der Wirtschaftsminister offenbar seinen Lebenslauf „geschönt“ und ein behauptetes Studium nie absolviert.

Die Grünen-Fraktion entschloss sich dann, gegen Junnila ein Misstrauensvotum im Reichstag zu beantragen. Dem schlossen sich binnen weniger Stunden alle anderen Oppositionsparteien an. Bei der Abstimmung am vergangenen Mittwoch hielten 86 Reichstagsabgeordnete Junnila als Minister für untragbar, 95 sprachen ihm das Vertrauen aus. Ein Abstimmungserfolg für ihn, der aber keiner war: Die Regierung hat nämlich eine Parlamentsmehrheit von 109 Mandaten.

Die Regierungskrise könnte erst nach der Sommerpause richtig in Gang kommen

Offenbar lag dem Ergebnis ein taktisches Abstimmungsverhalten zugrunde. Riikka Purra, die Vorsitzende der Wahren Finnen, hatte die Koalitionsparteien vor der Abstimmung erpresst: Sollte das Misstrauensvotum Erfolg haben, würde das automatisch das Ende der Koalition bedeuten. Was die Fraktionen der anderen drei Regierungsparteien vermeiden wollten. Auffallend viele Abgeordnete fehlten dann bei der Abstimmung, und bei der Schwedischen Volkspartei wurde festgelegt, wie viele ParlamentarierInnen Junnila das Misstrauen aussprechen dürfen und wer sich nur der Stimme enthalten sollte. Zum ersten Mal in der finnischen Parlamentsgeschichte sprachen Abgeordnete von Regierungsparteien einem Kabinettsmitglied offiziell das Misstrauen aus.

Der Innenministerin Mari Rantanen könnte ein nächstes Misstrauensvotum gelten. Von ihr stammen Äußerungen, die laut dem Ideenhistoriker Olav Melin auf „im höchsten Grade rassenbiologisches Denken“ schließen lassen. Sie verbreitete im März Tweets unter dem Hashtag „Bevölkerungsaustausch“ – eine Verschwörungsideologie, mit der beispielsweise auch der Rechtsterrorist und Massenmörder Anders Breivik seine Taten zu rechtfertigen versuchte, und die vom finnischen Verfassungsschutz „als eine der wichtigsten ideologischen Triebkräfte des Rechtsterrorismus“ eingestuft wird.

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