Geflüchtete aus der Ukraine: Mit Kitaplatz arbeitet sich’s besser
Rund 20 Prozent der geflüchteten Ukrainer*innen haben einen Job. Barrieren sind Aufenthaltstitel, Sprache und Kinderbetreuung.
![Ein Schild mit ukrainischer Flagge, drumherum laufende Menschen Ein Schild mit ukrainischer Flagge, drumherum laufende Menschen](https://taz.de/picture/6387258/14/33197440-1.jpeg)
Viele ukrainische Geflüchtete haben sich gut in die deutsche Gesellschaft eingefunden. Wie eine neue Studie zeigt, will etwa die Hälfte von ihnen auch dauerhaft bleiben, nur sehr wenige der rund eine Million Ukrainer*innen haben Deutschland bisher wieder verlassen. Allerdings hemmen die Aufenthaltsregelungen sowie mangelnde Sprachkenntnisse und fehlende Kitaplätze die Integration der Geflüchteten, so die Forscher*innen bei der Vorstellung ihrer Ergebnisse am Mittwoch.
Für die Studie haben das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (Bamf), das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rund 6.500 u-krainische Geflüchtete befragt, die nach Kriegsbeginn nach Deutschland gekommen sind. Dabei zeigt sich eine Reihe positiver Entwicklungen. Fast 20 Prozent der Geflüchteten im arbeitsfähigen Alter haben hier einen Job gefunden. Außerdem leben die allermeisten inzwischen in Privatwohnungen und nicht mehr in staatlichen Unterkünften.
Auch beim Spracherwerb gibt es Fortschritte: Mittlerweile haben über drei Viertel der erwachsenen Ukrainer*innen in Deutschland einen Sprachkurs besucht. Yuliya Kosyakova vom IAB lobte: „Deutschland investiert sehr stark in Spracherwerb“, das ermögliche „nachhaltige Integration“ in Gesellschaft und Arbeitsmarkt. Fast alle Befragten gaben an, nach den Sprachkursen eine Arbeit aufnehmen zu wollen. Und auch das psychische Wohlbefinden der Ukrainer*innen habe sich seit der letzten Befragung im Sommer 2022 immerhin etwas gebessert, wobei vor allem Jugendliche und Menschen mit nahen Angehörigen in der Ukraine weiter vergleichsweise unglücklich sind.
Auffällige Probleme haben bisher vor allem alleinerziehende Mütter. Nur drei Prozent von ihnen arbeiten derzeit, nur wenige haben bisher Sprachkurse besucht. Die Forscher*innen führen das direkt auf fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zurück. Nur jedes zweite geflüchtete Kind aus der Ukraine besucht hier eine Kita, in der deutschen Gesamtgesellschaft sind es laut statistischem Bundesamt über 90 Prozent.
Umgekehrt zeigt sich in der Befragung der Ukrainer*innen: „Wer Betreuung gefunden hat, arbeitet mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit“, so Andreas Ette, Soziologe beim BiB. Sein Fazit: „Es lohnt sich, in Betreungsmöglichkeiten zu investieren.“ Nina Rother vom Bamf spricht hier von „klarem Handlungsbedarf“.
Neben dem Mangel an Kitaplätzen haben die Forscher*innen außerdem auch den vergleichsweise prekären Aufenthaltsstatus der ukrainischen Geflüchteten als Problem identifiziert. So plane ein Großteil der Ukrainer*innen inzwischen, längerfristig in Deutschland zu bleiben. Bisher ist ihr Aufenthalt über eine EU-Regelung aber nur bis Frühjahr 2024 gesichert. Das schaffe Unsicherheit: „Die Bundesregierung muss längerfristige Aufenthaltsperspektiven schaffen“, forderte deshalb Kosyakova vom IAB. Das würde auch die Einbindung der Ukrainer*innen in die deutsche Gesellschaft deutlich stärken. „Personen ohne Bleibeperspektive investieren weniger in Sprache, Beruf, gesellschaftliche und soziale Teilhabe.“
Vergleiche zu anderen Gruppen von Geflüchteten wollten die Forscher*innen am Mittwoch explizit nicht ziehen. Zu groß seien die Unterschiede bei den Regelungen für geflohene Ukrainer*innen im Vergleich mit den Bestimmungen für andere Geflüchtete in der Vergangenheit. So durchlaufen die Ukrainer*innen aufgrund einer Sonderregelung nicht das normale Asylverfahren. Sie durften zudem von Anfang an Wohnungen auf dem privaten Mietmarkt suchen anstatt in offiziellen Unterkünften untergebracht zu werden wie reguläre Asylbewerber*innen. Anders als diese unterliegen die Ukrainer*innen auch keinem Beschäftigungsverbot, konnten sich also von Beginn an Jobs suchen.
Andreas Ette vom BiB formuliert indirekt die Forderung danach, auch anderen Geflüchteten in Zukunft diese Freiheiten zuzugestehen: „Die Möglichkeit auf Jobsuche zu gehen erhöht die Bereitschaft, eine Sprache zu lernen“, sagte er. Und: „Private Unterbringung im Gegensatz zu Sammelunterkünften entlastet die staatlichen Strukturen.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden