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„Der Sprachkurs half in der Praxis nicht“

Maria Clara Cruz*, 43 Jahre, aus den Philippinen. Sie arbeitet seit März 2023 in der Unfallchirurgie eines Berliner Krankenhauses

Bevor ich im März 2023 nach Berlin kam, habe ich 10 Jahre lang als Krankenpflegerin in Saudi-Arabien gearbeitet. Dort ging es mir gut, ich hatte ein ähnliches Gehalt wie jetzt in Deutschland. Der Nachteil aber war, dass es dort keine Rentenansprüche gibt. Mir war klar, ich würde nach meiner Karriere mit leeren Händen in meine Heimat zurückkehren. Als ich dann über eine Cousine erfuhr, dass Deutschland philippinische Krankenpflegerinnen anwarb, fiel meine Entscheidung sofort.

Also habe ich mich im November 2021 für das „Triple Win“-Programm der Bundesregierung beworben und alles lief gut. Ich wurde in das Programm aufgenommen und hatte bald darauf ein Vorstellungsgespräch über Zoom mit einem Krankenhaus. Dieses wollte mich einstellen, ich sagte zu. Von November 2021 bis Mai 2022 machte ich einen Deutschkurs, danach kam die sechsmonatige Visumantragsphase und im Dezember 2022 wurde mir gesagt, dass ich nach Deutschland fliegen könne. Am 1. März 2023 landete ich schließlich in Berlin.

Meisterin der Anpassung

Eine meiner Tanten hat einen Deutschen geheiratet und lebt seit 40 Jahren in Bayern. Dank ihrer Erzählungen war mir das Land irgendwie schon ein wenig vertraut. So war der Kulturschock nicht besonders groß. Ich bin zudem ein Mensch, der an Veränderungen gewöhnt ist und sich gut anpassen kann. Als junge Frau war ich schon aus der Provinz, in der ich aufgewachsen war, in die philippinische Hauptstadt Manila gezogen, um dort mein Abitur zu machen. Und in Saudi-Arabien hatte ich es auch geschafft, mit den strengen Regeln klarzukommen.

Was für mich in Deutschland allerdings ein Schock war: die Sprache. Auf den Philippinen hatte ich sieben Monate lang Deutsch gelernt, bis zum B1-Niveau. Aber in Berlin musste ich feststellen, dass mir das in der Praxis überhaupt nicht half. In den ersten Tagen verstand ich so gut wie nichts. Das hat mich gerade bei der Arbeit sehr verunsichert und frustriert.

An meinem zweiten Arbeitstag bat mich ein Patient um einen Tee. Ich habe ihn nicht gefragt, ­welche Sorte er wollte, und ihm den gebracht, von dem ich dachte, dass er ihn mögen könnte. Später, als meine deutsche Kollegin eintraf, sagte der Patient zu ihr, er wolle nicht mehr von mir betreut werden, ich würde ja kein Deutsch verstehen. Sie verteidigte mich vor ihm, aber ich war trotzdem sehr frustriert.

Auch außerhalb des Krankenhauses habe ich so etwas Ähnliches schon erlebt. Ich stand mit ein paar philippinischen Kollegen an einer Bushaltestelle. Wir unterhielten uns, da schrie uns plötzlich ein älterer Mann an: „Auf Deutsch, bitte!“ Ich hatte Angst, ein Kollege musste mich beruhigen. Seitdem achte ich immer auf die Menschen um mich herum, wenn ich auf der Straße in meiner Muttersprache spreche.

Aber was die Arbeit sonst angeht, hatte ich großes Glück. Trotz meiner Unsicherheit mit der Sprache war mein Arbeitsteam geduldig und freundlich zu mir und auch die meisten Patienten.

Auf den Philippinen und in Saudi-Arabien war ich für deutsche Verhältnisse mehr als eine Krankenpflegerin. Dort musste ich auch Dinge machen, die hier nur Ärzten erlaubt sind, zum Beispiel eine Kanüle setzen.

Ich finde, wir Pflegekräfte hier in Deutschland führen ein Arbeitsleben wie Prinzessinnen, weil die Arbeit nicht so hart ist wie in anderen Ländern und auch mehr Personal bereitsteht. In Saudi-­Arabien mussten wir uns manchmal zu zweit auf einer Station um alle Patienten kümmern. Hier komme ich von der Arbeit nach Hause und habe noch Energie, etwas zu tun.

Ich bin froh und dankbar. Nach vier Monaten in Berlin habe ich das Gefühl, dass ich hierher gehöre. Protokoll: Yetlaneci Alcaraz

*Wir haben die Namen unserer Ge­sprächs­part­ne­r:in­nen zu ihrem Schutz geändert

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