das portrait
: Edgars Rinkēvičs wird der erste offen schwule Präsident Lettlands

Foto: Roman Koksarov/ap

Es brauchte drei Wahlgänge, dann war Edgars Rinkēvičs am Ziel: Am Mittwoch wurde der 49-Jährige mit den Stimmen von 52 der 100 Abgeordneten des lettischen Parlaments (Saeima) zum neuen Präsidenten des baltischen Staates gewählt. Vorgeschlagen hatte ihn die rechtszentristische Partei Neue Einigkeit (Vienotība) – stärkste Kraft innerhalb der Regierungskoalition, die aus drei Parteien besteht. Deren Juniorpartner unterstützten die Kandidatur nicht, dafür aber zwei Parteien aus dem Lager der Opposition.

Gesprächsthema in Riga war am Mittwoch vor allem, dass Lettland mit Rinkēvičs erstmals einen schwulen Staatschef bekommt. Der hatte sich 2014, damals bereits seit drei Jahren Außenminister, in einem Tweet erstmals offen zu seiner sexuellen Orientierung bekannt. In Lettland müssten endlich rechtliche Regelungen für alle Arten von Partnerschaften geschaffen werden, er sei bereit, dafür zu kämpfen. „Ich weiß, dass jetzt eine Megahysterie beginnt, aber #proudtobegay (stolz, schwul zu sein).“

Vor zwei Wochen fühlte sich Rinkēvičs genötigt, sich erneut zu seinem Privatleben zu äußern. „Ich bin frei. Meine Beziehungen haben nicht lange genug gedauert, um wirklich eine Partnerschaft einzugehen. Ich sage das jetzt, um Spekulationen über dieses Thema aus dem Weg zu gehen“, teilte er mit.

Edgars Rinkēvičs wurde 1973 in dem Ostseebadeort Jurmala westlich von Riga geboren. Kurz nachdem Lettland 1990 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärt hatte, begann er ein Studium der Politikwissenschaft an der Universität Riga, das er 1995 abschloss. Er hat außerdem einen Master der Dwight D. Eisenhower Schule für nationale Sicherheits- und Ressourcenstrategie (NDV) in Washington D.C.

In den 1990er Jahren arbeitete Rinkēvičs beim lettischen Radio, dann heuerte er im Verteidigungsministerium an, wo er 1997 Staatssekretär wurde. 2002/2003 war er stellvertretender Leiter der lettischen Delegation, die den Nato-Beitritt aushandelte, sowie 2008 bis 2011 Leiter der Präsidialkanzlei. 2011 wurde Rinkēvičs schließlich lettischer Außenminister.

2021 leitete Belarus ein Strafverfahren gegen Rinkēvičs wegen Anstachelung zu nationalem Hass ein. Er hatte mit dafür gesorgt, in Riga im Rahmen einer Präsentation der Flaggen aller Teilnehmerländer eines Sportwettbewerbs die offizielle rot-grüne Flagge von Belarus durch die weiß-rot-weiße Fahne der Opposition zu ersetzen.

Im Herbst 2022 kündigte Rinkēvičs anlässlich einer Konferenz in Riga an, Aufenthaltstitel für Rus­s*in­nen nicht zu erneuern, sondern zu befristen. Russen, die vor der Mobilmachung flüchteten, seien in Wahrheit gar nicht gegen den Krieg in der Ukraine. Wäre das anders, sollten sie gegen die russische Staatsmacht protestieren. Auf jeden Fall sei ihre Aufnahme für Lettland ein Sicherheitsrisiko.

Russlands Krieg gegen die Ukraine dürfte die vierjährige Amtszeit von Rinkēvičs maßgeblich prägen. Doch da gäbe es für ihn noch weitere Betätigungsfelder. So hat das lettische Parlament immer noch nicht die Istanbuler Konvention gegen Gewalt gegen Frauen ratifiziert. Gegner sehen dieses Dokument als eine Art Hintertür, um, wie sie sagen, LGBTQ- und Genderbelange salonfähig zu machen. Eingetragene Partnerschaften gibt es bislang nicht. Auch die Verfassung bedürfte in dieser Frage einer Überarbeitung: Gleichgeschlechtliche Ehen sind verboten. Barbara Oertel, Riga