kritisch gesehen: „best of: baum“ in hamburg
: Warten auf das Eichhörnchen

Zu Anfang ist von Juliana Oliveira nur das Gesicht zu sehen. Aus einem zweidimensionalen Pappbaum lugt sie hervor, rollt mit den Augen,verzieht auch mal den Mund. Irgendwann, nach Minuten eingespielten Vogelgezwitschers und Blätterrauschens (aber auch von Schlachtenlärm und Wehklagen) hören wir dann auch ihre Stimme aus dem Off, recht eigentlich das Konzept des Ganzen darlegend: dass mit den Bäumen die notorischen Nicht-mal-Nebenfiguren, die bloß im Bühnenhintergrund Stehenden nun endlich mal ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. Es sei denn, diese Aufmerksamkeit zieht gerade dieses Eichhörnchen auf sich: Irgendwann flitzt, eben, ein ebenfalls zweidimensional-pappenes Hörnchen den Stamm entlang, stoppt, dreht sich, flitzt wieder ein Stück, ganz wie da draußen.

Ja, sie ist auch ein im guten Sinne regressives Vergnügen, Oliveiras Beschäftigung mit den scheinbar unbeteiligten, Bau- und Brennmaterial – genauso aber auch das Trägermedien für weite Teile der Geistesgeschichte – liefernden Dingern mit Blättern: Es hat schon etwas von überdimensioniertem Kindergartenbasteln, was Ilona Klein und Jonas Woltemate da auf die Bühne stellen. Umso verblüffender, was aus ein paar aus Karton ausgeschnittenen Umrissen wird, wenn Woltemates Videoprojektionen auf die so profanen Oberflächen treffen.

Bei allem schieren, auch und gerade übers Visuelle hergestellte Vergnügen: Es ist weiß Gott ein ambitionierter Abend, ein allem Bäumen Angedichteten maximal ferner, nämlich flotter Galopp durch mehrere Jahrtausende Kunst-, Kultur- und Ideengeschichte, von alten Griechen und Ovid über „Xerxes“ als Oper, Goethe und „Warten auf Godot“ – unsystematisch, aber immer wieder einleuchtend. Ein bisschen detektivisches Vergnügen ist auch eingestreut: Je nach elterlichem Bücherbestand lassen sich wohl mehr oder halt nur wenige der Anspielungen entschlüsseln. Das Konvolut teils brutal kalauernder Baumwitze wiederum, die Oliveira gegen Ende erzählt: Sie verdienten noch mal eine ganz eigene Beschäftigung.

Alexander Diehl

Weitere Termine: Do + Fr, 18. + 19. 5., 20.15 Uhr, Hamburg, Lichthof-Theater