: Von wegen endgültig
Die Macher der ARD-Politmagazine wollen plötzlich gegen die just beschlossenen Kürzungen mobilisieren
Es ist, freundlich gesagt, befremdlich. Da ist seit der Sitzung der ARD-Intendanten am Dienstag die Kürzung von „Panorama“ und Co. beschlossene Sache (siehe taz von gestern) und damit eine über sechs Monate andauerde Diskussion über wahlweise das „Tafelsilber“ (Netzwerk Recherche) oder die „Farbtupfer“ (ARD-Programmdirektor Günter Struve) der ARD beendet – und auf einmal raufen sich die Magazinmacher zusammen und schreiben ein Arbeitspapier gegen die „Entpolitisierung der ARD“ (so der Titel) und für die Beibehaltung des alten Programmschemas.
Dabei sind die Argumente der betroffenen Redaktionen durchaus eindrücklich und präzise: Anhand genauer Analysen der jeweiligen Wochentage rechnen sie vor, dass sich die ARD durch die Neustrukturierung ihres Programmschemas eher schwäche denn stärke. Montags müssten die Politmagazine auf ihrem neuen Sendeplatz beispielsweise gegen „Wer wird Millionär?“ antreten – Konkurrenz auf Augenhöhe ist etwas anderes. Und auch was den so genannten audience flow, also das „Dranbleiben“ von Zuschauern bei Anschlusssendungen, angeht, schneidet sich die ARD nach Ansicht der Redaktionen ins eigene Fleisch, wenn sie etwa die Erfolgsserie „In aller Freundschaft“ oder das Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ verkürzt und damit etliche Zuschauer vorzeitig aus dem Programm entlässt.
Das Ergebnis der Rechnung: Durch das neue Programmschema verlieren alle den „Tagesthemen“ vorausgehenden Sendungen (mit Ausnahme der Dienstagsserie) Marktanteile, schätzungsweise 0,2 Prozent. Diese Verluste müssten die „Tagesthemen“ mit ihrem neuen Sendeplatz dann erst wieder ausgleichen – nicht unwahrscheinlich, dass dabei plus/minus null herauskommt und nicht der große Gewinn an Zuschauern, auf den vor allem Programmdirektor Struve vertraut.
„Status quo erhalten“ ist deshalb das Motto der Magazinmacher. Und sie geben sich erstaunlich hoffnungsvoll: „Die Entscheidung ist zwar ARD-intern ‚endgültig‘, ob sie aber 2006 durchzusetzen ist, muss sich erst noch zeigen“, heißt es in dem Arbeitspapier. Um den Entschluss rückgängig zu machen, setzt man auf „öffentliche Proteste“: „Selbst die Befürworter der Reform/Kürzung sind nicht recht überzeugt davon; sie wollten das ‚leidige Thema‘ einfach vom Tisch haben. Ab einer bestimmten Menge könnte der Protest aber ‚leidiger‘ als das Thema sein …“ Als Verbündete stellen sich die Redaktionen „namhafte“ Verbände und Organisationen wie die Kirchen, NGOs und Parlamentsfraktionen sowie Medieninstitute und Lehrstühle vor, die Protestbriefe an ihren jeweiligen regionalen Intendanten sowie den ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber schreiben sollen.
Nun, das klingt nach großer Mobilmachung. Fragt sich nur, warum die Magazinmacher erst jetzt die Initiative ergreifen. Aus den Redaktionen heißt es dazu, dass gerade die Magazinleiter und die Chefredakteure der jeweiligen Anstalt zu Zurückhaltung gemahnt hätten. Aber warum hat man die nun im denkbar aussichtslosesten Moment aufgegeben? Es ist, wie gesagt: befremdlich. HANNAH PILARCZYK
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