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Die gefühlten Kosten der Eiskugel

Die aktuellen Eispreise sorgen für Aufregung. Doch es spielen viele Faktoren eine Rolle

Wer heute eine Kugel an der Eisdiele kauft, meint häufig, mehr zu zahlen als früher. Experten bezeichnen das als „gefühlte Inflation“. Doch in Wahrheit spielen mehrere Faktoren eine Rolle.

Mitte der 1980er Jahre kostete eine Kugel Eis in Westdeutschland vielerorts 30 Pfennig. „Damals war Eis zu billig, die können kein großes Geschäft gemacht haben“, sagt Gerhard Schenk, Präsident des Deutschen Konditorenbundes, rückblickend. Mittlerweile müssen für eine Kugel Eis in Großstädten wie Berlin oder München um die 2 Euro auf den Tisch gelegt werden. Der bundesweite Durchschnitt liegt laut einem Vergleich von 2021 bei 1,46 Euro.

Die Kaufkraft einer D-Mark im Jahr 1985 entspricht nach Angaben der Deutschen Bundesbank im Jahr 2022 einem Euro. Das heißt: Die Kugel Eis für 30 Pfennig im Jahr 1985 hätte heute einen Wert von 30 Cent. Doch dazu kommen weitere Faktoren: Die Verbraucherpreise seien etwa zwischen 1991 und 2019 um 48,1 Prozent gestiegen, heißt es von der Bundeszentrale für politische Bildung. Weil vieles teurer wurde, stiegen auch die Löhne in dem Zeitraum. Das heißt: Dadurch wird der Geldbeutel beim Eiskauf nicht so stark belastet, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Im Gegensatz zum Tiefkühlfach im Supermarkt spielen beim Eis aus der Eisdiele frische Produkte, möglichst bio, eine größere Rolle. „Die Qualität ist stark gestiegen“, berichtet Gerhard Schenk. Die Kugel aus der Eisdiele bestehe bis zu 70 Prozent aus Milch und zu knapp zehn Prozent aus Sahne, die wiederum aus Milch hergestellt sei, erklärt Uniteis, die Vereinigung der italienischen Eismacher in Deutschland. Doch Milch kostet heute mehr – spätestens infolge des Kriegs in der Ukraine stiegen 2022 die Milchpreise.

Auch die Arbeit in den Eisdielen hat sich im Laufe der Zeit verändert. Früher hätte die ganze Familie unentgeltlich mitgearbeitet, sagt Uniteis-Sprecherin Annalisa Carnio. Heute gebe es nicht nur durch Mindestlohn und Manteltarifvertrag höhere Kosten. Die Mieten für die Geschäfte seien gestiegen und jüngst etwa die Stromkosten.

Dazu kommt: Die Kugeln sind im Laufe der Jahre größer geworden und mitunter gar nicht mehr rund. Eine Eiskugel wiege heute 80 bis 100 Gramm, erklärt Carnio. Das bestätigt Gerhard Schenk: „Eine Kugel Eis muss ein bestimmtes Gewicht haben, um am Markt akzeptiert zu werden.“ In den 1960er-Jahren sei dagegen eine Kugel mit 25 bis 30 Gramm Gewicht Standard gewesen, sagt Carnio. Diese könne man „heute nicht mehr verkaufen“, ergänzt Schenk. Dazu kommt der Trend, dass Eis heute mehr gespachtelt oder gestrichen als gekugelt wird. (dpa)

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