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Archiv-Artikel

Berlin baut Mist

GROSSPROJEKTE Von wegen „beispiellos“: Die Panne mit dem Flughafen „Willy Brandt“ ist nicht das erste Desaster dieser Art – und es wird auch nicht das letzte sein. Vier Beispiele

Die Fertigstellung der U 5 hat die BVG immerhin schon hinausgeschoben

Das Ende der Magnetbahn

Der 19. Dezember 1988 war der Tag der Fotografen. Kaum war das Unglück geschehen, sammelten sie sich am Bahnhof Kemperplatz. Das Motiv war unglaublich: Aus dem zerborstenen Bahnhof am Kulturforum ragte ein Wagen der Magnetbahn zehn Meter weit in die Luft. Die Schlagzeile der taz: „Geschafft: Technologischer Durchbruch!“

Schnell sollte die Magnetbahn sein, leise und natürlich alles, was auf Schienen fuhr, hinter sich lassen. So hieß es 1984, als der Startschuss gegeben wurde. Bald darauf wurde neben der damals stillgelegten U2 eine Trasse vom Gleisdreieck bis zum Kemperplatz gebaut. Doch schnell stellte sich heraus, dass da kein Exportschlager entstand, sondern ein Millionengrab. Um für die 750-Jahr-Feier 1987 Vorzeigbares zu schaffen, wurde auf ein zweites Gleis verzichtet. Dann fackelten Autonome zwei der vier Waggons ab. Nach dem „technologischen Durchbruch“ konnte 1989 nur noch ein Pendelbetrieb aufgenommen werden. Immerhin: Die Fahrt war kostenlos.

Dann fiel die Mauer. Keiner redete mehr über die M-Bahn. Vielmehr sollte die U2 wieder beide Stadtzentren miteinander verbinden, da war die M-Bahn-Trasse im Weg. Also wurde sie 1991 abgebaut und 1994 verschrottet. Der Traum vom Minitransrapid war ausgeträumt. 88,5 Millionen Mark Steuergelder landeten auf dem Schrotthaufen.

Verstümmelter Hauptbahnhof

Schnell gehen musste es am Hauptbahnhof. Schon kurz nach dem Fall der Mauer war klar, dass Berlin ein neues Schienenverkehrskonzept braucht. 1992 entschied man sich gegen das von den Grünen favorisierte Kopfbahnhofsystem und für den Bau eines neuen Hauptbahnhofs anstelle des alten Lehrter Stadtbahnhofs. Baubeginn war 1995. Ursprünglich sollte der neue Kreuzungsbahnhof 2002 fertig sein.

Doch die Ingenieure unterschätzten die Tücken des Berliner Untergrunds. Allein der Bau des Tunnels unter der Spree dauerte zehn Jahre. Ursache war ein Grundwassereinbruch 1999, der das Projekt um Jahre verzögerte. Statt 2002 war nun 2006 als Zeitpunkt der Inbetriebnahme vorgesehen.

Damit geriet der neue Bahnhof, der nach einen Entwurf des Architekten Meinhard von Gerkan gebaut wurde (der auch den Großflughafen Willy Brandt entworfen hat), in Konkurrenz zur Fußball-WM, die im Sommer 2006 in Deutschland stattfand. Bei der Bahn, aber auch im Senat galt die Fertigstellung bis zur WM als oberste Priorität.

Im Regen stehen

Um den Termin zu halten, verzichtete man kurzerhand auf einen Teil des Dachs: Statt 430 Meter wurde es, König Fußball sei dank, nur 320 Meter lang. Wer ganz vorn und hinten aussteigt, steht nun im Regen. Eine nachträgliche Verlängerung würde 50 Millionen Euro kosten. Außerdem müsste die Stadtbahn für sechs Monate gesperrt werden.

Nicht reif für Olympia

Projektentwickler kennen die Regel: Mit dem Bau wird erst begonnen, wenn der Ankermieter unter Vertrag steht. Auch das Geld von der Bank gibt es erst dann. Für das Land gelten diese Regeln nicht. Ein Beispiel dafür sind die Olympiahallen, also die Max-Schmeling-Halle, das Velodrom und die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark SSE.

In den Hallen sollten einmal olympische Wettkämpfe stattfinden. Gleich nach dem Fall der Mauer hatte sich das Land für die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2000 beworben. Die Entscheidung über die Vergabe wurde auf der 101. Sitzung des IOC im September 1993 getroffen. Sieben Jahre hätte der Senat, wenn er den Zuschlag bekommen hätte, Zeit gehabt, die Hallen aus dem Boden zu stampfen.

Doch Berlin, berauscht von sich selbst, war sich des Zuschlags für die Spiele so sicher, dass man im Juni 1993 mit dem Bau begann. Für das Velodrom wurde zudem die intakte Werner Seelenbinder-Halle abgerissen. Die Baukosten beliefen sich auf eine Milliarde Mark.

So kam, was kommen musste. Den Zuschlag für Olympia bekam Sydney, und der Senat saß auf seinen Baustellen. Als die Hallen 1999 fertig waren, war zunächst kein Betreiber zu finden, das Land blieb auf den Betriebskosten sitzen. Beim Velodrom und der Schmelinghalle betrugen sie jährlich 5 Millionen Euro. Ein Ende für das Millionengrab brachte erst der Vertrag mit Velomax, der beide Hallen seit 2007 betreibt. Der SSE gehört den Bäderbetrieben.

Das Kreuz mit der U-Bahn

Was ist nicht alles geredet worden über den Sinn und Unsinn der Kanzler-U-Bahn. Alles Schnee von gestern! In den Sommerferien wird mit dem Bau der Verlängerung der U 5 begonnen – und Berlin hat nach dem Potsdamer Platz wieder eine Riesenbaustelle. Wenn da nicht mal wieder was schiefgeht.

Der größte Teil des Tunnels wird im Schildvortrieb, also unterirdisch, gebuddelt. Aber irgendwo müssen die beiden Maulwürfe halt unter die Erde. Eine der beiden Stellen ist ausgerechnet die Kreuzung Unter den Linden, Friedrichstraße. Autos im Stau – geschenkt. In der City Ost wird aber auch die U 6 unterbrochen. Tausende Fahrgäste müssen dann auf dem Weg nach Süden am Bahnhof Friedrichstraße aussteigen und sich zwei zwei Meter breite Treppen hinaufquetschen. Ein Nadelöhr wird zur Kampfzone Mensch gegen Mensch.

Dann ist da noch das Grundwasser. Alles im Griff, heißt die Parole der BVG. Doch was heißt das schon nach der plötzlichen Verschiebung des Flughafenstarts?! Und hat eindringendes Grundwasser am Leipziger Platz nicht zur wochenlangen und erst am Freitag beendeten Sperrung der U 2 geführt?

Die Fertigstellung der U 5 hat die BVG immerhin schon hinausgeschoben. 2018 heißt es nun. Vor einem Jahr war noch von 2017 die Rede. Das ist besser als eine Verschiebung ein paar Wochen vor der feierlichen Eröffnung. Womöglich kommt aber ein weiteres Jahr dazu. „Von Baubeginn an brauchen wir sieben Jahre“, sagte einmal ein BVG-Sprecher. ALLE TEXTE: UWE RADA