Wirtschaftsweise zu Bankenkrise: „Die Lage ist schon fragil“

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sieht keine Situation wie bei der Finanzkrise 2008, mahnt aber zur Vorsicht. US-Geldhäuser stützen Regionalbank First Republic.

Ein Mann mit Kapuzenjacke läuft an einer Filiale der First Republic Bank vorbei

Große US-Geldhäuser unterstützten unter Einbeziehung der Notenbank die strauchelnden Regionalbank First Republic mit 30 Milliarden Dollar Foto: Mike Segar/reuters

BERLIN/NEW YORK rtr/taz | Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm rechnet trotz der Probleme um die US-Banken und die Credit Suisse nicht mit einer neuen Finanzkrise. „Wir sind, glaube ich, nicht in einer ähnlichen Situation wie 2008“, sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung am Freitag im Deutschlandfunk. Die Finanzkrise habe damals auf der schlechten Bonität von Finanzprodukten gegründet, die darüber hinaus auch nicht transparent gewesen seien. „Das ist heute anders. Es gibt eine größere Transparenz.“

Auch sei die Lage der großen Banken insgesamt besser als damals. So sei die Ausstattung mit Eigenkapital infolge der strengeren Regulierung höher. „Trotzdem sind natürlich Ansteckungseffekte nie ausgeschlossen“, warnte Grimm zugleich. Außerdem gebe es zahlreiche Krisen – vom Energieschock über die drohende Deglobalisierung bis hin zu einer hohen Verschuldung. „Das macht die Lage schon fragil, man muss also wachsam sein, aber man muss jetzt auch nicht in Panik geraten.“

Ähnlich hatte sich zuvor die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, geäußert. „Der Zusammenbruch erhöht natürlich die Unsicherheit, was immer negativ ist“, sagte die Wirtschaftsweise. „Im Gesamteffekt gehe ich aber nicht davon aus, dass wir einen deutlichen negativen Effekt auf die deutsche Konjunktur erleben werden.“

Der Kollaps der amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) hatte zum Wochenstart Schockwellen an den Finanzmärkten ausgelöst und auch in Europa den Bankensektor mit nach unten gezogen. In der Nacht zum Donnerstag hatte die angeschlagene Credit Suisse ein Hilfsangebot der Schweizer Zentralbank in Höhe von 50 Milliarden Franken akzeptiert.

US-Banken stützen First Republic

Indes ging die Krise im US-Bankensektor weiter. Große US-Geldhäuser unterstützten unter Einbeziehung der Notenbank die strauchelnde Regionalbank First Republic mit 30 Milliarden Dollar. Insgesamt elf US-Banken hätten frisches Geld in diesem Volumen in die First Republic investiert, teilten die US-Behörden am Donnerstag noch während der Öffnung der US-Börsen mit. Damit wollten sie inmitten der jüngsten Banken-Turbulenzen das Zeichen setzen, dass die US-Finanzbranche schnell und mit großen Summen bereitsteht, um Sparern und Unternehmen zu vermitteln, dass ihr Geld bei den Banken noch sicher und jederzeit verfügbar ist.

An den US-Börsen machte sich am Donnerstag angesichts der Entwicklung Erleichterung breit. Der Dow-Jones-Index hatte kurz nach Handelsbeginn zwar rund 1 Prozent nachgegeben. Als Meldungen über eine Stützungsaktion für die angeschlagene First Republic die Runde machten, erholte er sich aber deutlich und schloss letztlich knapp 1,2 Prozent im Plus.

Nach dem „Bank Run“, also dem eiligen Räumen vieler Konten bei der zusammengebrochenen Silicon Valley Bank (SVB) durch panische Großanleger, hatten zum Wochenbeginn Börsianer auch bei der First Republic kalte Füße bekommen. Der Aktienkurs sackte daraufhin um bis zu 75 Prozent ab. Auch die kurzfristige Sicherung neuer Finanzmittel im Volumen von 70 Milliarden Dollar konnte Anleger nicht beruhigen. Analysten hatten die Aktie herabgestuft und das Risiko von Einlagenabflüssen benannt. Die Rating-Agenturen Fitch und S&P hatten auf Risiken bei Finanzierung und Liquidität verweisen.

Nun sicherte sich First Republic am Donnerstag frische Einlagen im Volumen von 30 Milliarden Dollar. An der Rettung seien JPMorgan, Citigroup, Bank of America, Wells Fargo, Goldman Sachs, Morgan Stanley und andere beteiligt, hieß es in einer Erklärung. Die Hilfe wurde von den Banken initiiert, nach Angaben eines Insiders von der Regierung aber nachdrücklich unterstützt. In Medienberichten war zuvor davon die Rede gewesen, dass auch eine Übernahme der First Republic im Gespräch sei, allerdings sei das nicht das wahrscheinlichste Szenario, hatte es geheißen.

Aktien verlieren zwei Drittel des Werts

Die Aktien der First Republic waren im frühen Handel am Donnerstag noch bis auf unter 20 Dollar abgesackt und schlossen am Ende 10 Prozent im Plus bei 34,27 Dollar. Auf Wochensicht haben sie gleichwohl knapp zwei Drittel ihres Wertes verloren. Die 1985 gegründete First Republic verfügte Ende 2022 laut ihrem Jahresbericht über Vermögenswerte in Höhe von 212 Milliarden Dollar und Einlagen in Höhe von 176,4 Milliarden Dollar.

Die US-Aufsichtsbehörden und das Finanzministerium erklärten am Abend, sie begrüßten die Entscheidung der Banken, der First Republic zu helfen. Dies zeige die Widerstandsfähigkeit des US-Bankensystems, hieß es in einer Erklärung von Finanzministerin Janet Yellen, US-Notenbankchef Jerome Powell und anderen hochrangigen Finanz-Akteuren.

Bei Insidern hieß es zudem, auch das Weiße Haus und andere Bundesbehörden hätten die Entwicklungen aufmerksam verfolgt. Der Rettungsplan verhindere eine vollständige Übernahme der First Republic durch ein größeres Institut, was auch nicht im Sinne der US-Regierung gewesen wäre.

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