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Demeter im Landtag

Dirk Kock-Rohwer hat Milch in Demeter-Qualität im Norden der Republik etabliert. Seit einem Jahr setzt er ökologisch motivierte Akzente in der schleswig-holsteinischen Landespolitik

Von Dierk Jensen

Östlich von Neumünster, mittendrin in Schleswig-Holstein, ist zumindest für die Milchkühe auf dem Demeter-Hof der Familie Kock-Rohwer die Welt noch in Ordnung: Sie wohnen in gut belüfteten Ställen, sie liegen auf weichem Stroh und säugen ihre Kälber in den ersten Wochen nach deren Geburt. Erst dann wird ihre Biomilch für den menschlichen Bedarf abgezwackt und landet als Milch, Joghurt, Buttermilch oder Butter beim Verbraucher.

Der Betrieb ist seit Jahrhunderten im Besitz der Familie. „Ich habe während des Agrarstudiums in Witzenhausen in einer WG mit acht Kom­mi­li­to­nin­nen zusammengelebt und die hatten alle mehr oder weniger anthroposophische Ideen im Kopf“, blickt Dirk Kock-Rohwer in die ökologische Aufbruchzeit der achtziger Jahre zurück. Als er nach dem Studium den elterlichen Hof übernahm, stellte er ihn – ohne große Gegenliebe aus dem Berufsstand – im Jahr 1991 nach Richtlinien des Demeter-Verbandes um. Mit nachhaltigem Erfolg, denn heute bewirtschaftet die Familie zusammen mit vier Angestellten 210 Hektar Land und sie melken 85 Kühe. Die Demeter-Milch wird über eine eigene Vertriebsgesellschaft, die Norddeutsche Demeter-Milchbauern GmbH & Co. KG, an der mittlerweile sieben weitere Demeter-Betriebe beteiligt sind, unter den Marken Nordliebe und Nordfrische regional vermarktet.

„Es gibt aus meiner Sicht zwischen Himmel und Erde noch andere Kräfte, von denen wir in der Regel nur wenig verstehen, die aber doch wirken“, ist Kock-Rohwer auch nach über drei Jahrzehnten Betriebserfahrungen vom Demeter-Ansatz weiterhin überzeugt. Wenngleich sich ihm nicht jedes Demeter-Präparat in seiner Herstellungsweise, wie etwa das mit Schafgarbe in Hirschblase, die man am Südfenster aufhängt, vollends erschließt, so beobachtet er trotzdem starke Veränderungen – vor allem beim Kuhmist. „Der mit Präparaten behandelte Mist stinkt einfach nicht, er sieht obendrein anders aus und fasst sich auch anders an, so der 62-jährige Demeter-Landwirt, der im Mai letzten Jahres für die Grünen in den Schleswig-Holsteinischen Landtag eingezogen ist. Dort spielt die Demeter-Philosophie zwar nicht so eine große Rolle wie auf dem eigenen Hof, den er mit seiner Frau Barbara inzwischen an seinen Sohn Aljoscha übergeben hat. Der wollte eigentlich nie Biolandwirt werden – ist es dann aber doch geworden. So ging, im Gegensatz zu vielen anderen landwirtschaftlichen (Bio-)Betrieben, der Generationenwechsel auf dem Hof ziemlich unproblematisch über die Bühne. Mit ihrem Sohn haben Barbara und Dirk Kock-Rohwer einen ausgeklügelten Hofüberlassungsvertrag geschlossen, in dem alle möglichen Aspekte vom Wegerecht bis hin zu Abfindungen an die weichenden Erben berücksichtigt worden sind. Aber auch eine sogenannte Rückfallklausel wurde festgelegt, die eintreten würde, wenn der Hof­erbe frühzeitig verstürbe und seine Kinder noch nicht volljährig wärren. Mithin alles pragmatische Überlegungen, die ansonsten im Täglichen auf dem lebendigen Demeter-Hof nur wenig Raum einnehmen.

Die Umstellung auf biodynamischen Landbau brachte deutliche Veränderungen

Wenn Dirk Kock-Rohwer von seinem Landtagsmandat mal nicht gänzlich in Beschlag genommen wird, dann hilft er auf dem Hof seines Sohns immer noch gerne mit. „Am letzten Wochenende habe ich gepflügt“, verrät Dirk Kock-Rohwer, eng getaktet zwischen zwei Polit-Terminen. Trotz Mitarbeit: Mittlerweile treffen sein Sohn Aljoscha und dessen Team auf dem Betrieb die Entscheidungen. Aljoscha betont jedoch unmissverständlich, dass er andere Akzente setzt als sein Vater. Was nicht heißt, dass man in vielen inhaltlichen Belangen auf dem Hof nicht übereinstimmt: So hat man gemeinsam den neuen Festmist-Tierwohl-Laufstall geplant und gebaut, genauso wie die Umstellung auf Melkroboter schon in naher Zukunft beschlossen ist. Jedoch wolle Aljoscha nicht so viel schuften, wie sein Vater es als Betriebsleiter über Jahre hinweg getan hat. „Es muss als Landwirt von heute möglich sein, auch mal Zeit für andere Dinge zu haben“, fordert er eine „gesellschaftstaugliche“ Landwirtschaft.

Da widerspricht Vater Dirk nicht. Ganz im Gegenteil, der Landtagsabgeordnete freut sich über neue Impulse und zieht sich aus dem Hofgeschehen peu à peu heraus. Stattdessen konzentriert er sich auf seine politische Arbeit. Die ihm offenkundig viel Freude bereitet. „Ich kehre immer noch mit einem Grinsen aus den Gremien­sitzungen in Kiel nach Hause“, verrät der 62-Jährige, der mit seiner Frau Barbara weiterhin auf dem Hof wohnt. Durch seine weitverzweigten Verbindungen in der ökologischen Landbaubewegung, den Kontakten im Lebensmittelhandel sowie in der (Verbands-)Politik ist er eine bekannte Stimme in der ganzen Landwirtschaft Norddeutschlands. Auch konventionell wirtschaftende Berufskollegen respektieren inzwischen seine Positionen, einfach weil sie um die erfolgreiche Entwicklung seines Milchhofes wissen und sich die Demeter-Marke Nordliebe einen festen Platz im Markt erobert hat. Er selbst mag es, auf kreative Weise die politischen Hintertüren zu nutzen, „um dringliche Dinge in Bewegung zu setzen, die über gewöhnliche Kanäle kaum durchkommen würden“. Klingt ein bisschen subversiv, dabei sei er solide parlamentarisch, wie er lächelnd bekräftigt. Gleichwohl spürt er als Demeter-Landwirt und grüner Landtagsabgeordneter derzeit im Ausbau des ökologischen Landbaus ein zähes „Auf-der-Stelle-Treten“. Dafür gibt es viele Gründe, wie er analysiert: steigende Preise, Inflation und eine allgemeine Verunsicherung des Verbrauchers. Und auf der Erzeugerseite gebe es aktuell wenig umstellbereite konventionelle (Milch-)Bauern, weil seit dem Ausbruch des Ukrai­ne­kriegs auch im konven­tionellen Segment hohe Erzeugerpreise gezahlt werden. Deshalb will Kock-Rohwer bald eine neue Kantinen-Offensive starten, und zwar zusammen mit dem schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) und dem Hamburger Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Durch die Hintertür – vielleicht voll ins Schwarz(e)!

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