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Überall Wasser, aber nicht für alle

Fotos und Text von Sarah Schneider und Stella Meyer

Das 600-Einwohner-Dorf Puerto Guadal ist nah am Wasser gebaut. Es liegt am Lago General Carrera, einem riesigen See im Süden Chiles, der sich über die Grenze zu Argentinien erstreckt. Aber nicht nur den See haben die Menschen in Puerto Guadal vor ihrer Haustür, ihr Dorf ist auch von zahlreichen Flüssen und Gletschern umgeben. Und doch: Der Zugang zu Wasser ist ein Problem, zumindest für jene Dorfbewohner:innen, die außerhalb des Zentrums leben.

Chile ist eines der wenigen Länder, in denen die Wasserversorgung fast zu 100 Prozent privatisiert ist. Zwar ist Wasser gesetzlich als ein „öffentlich genutztes nationales Gut“ definiert, jedoch besagt das Wassergesetz, das 1981 unter Augusto Pinochet in Kraft trat, dass der Staat Nutzungsrechte an Dritte vergeben kann.

Der Lago General Carrera, aus dem die Dorf­be­woh­ne­r:in­nen ihr Wasser beziehen, ist im Besitz des Staats. Die meisten Menschen in Puerto Guadal besitzen keine eigenen Wasserrechte, sondern beziehen ihr Wasser gegen eine monatliche Gebühr vom örtlichen Trinkwasserkomitee APR (Comité de Agua Potable Rural). Das Komitee hat aber vom Staat nur die Rechte für eine einzige Wasserpumpe im See erhalten – und durch ihr Pumpvolumen ist nur die Versorgung im Dorfzentrum gesichert.

Wer außerhalb lebt, muss sich selbst um Wasser kümmern. Man muss nicht nur eigene Wasserrechte beim Staat erwerben, sondern auch noch seine eigenen Wasserleitungen verlegen. Ein Prozess, der Jahre dauern kann. Immerhin ist es dem APR im vergangenen Jahr gelungen, das Recht an einer zweiten Wasserquelle zu erwerben, im nahe gelegenen Fluss Los Maquis. Von dort soll Wasser auch in die peripheren Gebiete Puerto Guadals geliefert werden. Doch der Bau der Infrastruktur könnte sich noch über Jahre hinziehen.

Auch das Wasser des Flusses Los Maquis ist umkämpft. Aktuell hat das kanadische Stromerzeugungsunternehmen Edelaysén die Rechte an einem Großteil der Wassermengen des von Regen und Gletscherwasser gespeisten Flusses. Die Be­woh­ne­r:in­nen haben es somit schwer, aus eigener Initiative überhaupt legal an Wasser aus dem Fluss zu kommen. Zudem hat das Unternehmen in dem Gebiet, das eigentlich der Naherholung dienen soll, die Bäume abgeholzt: 2019 hat Edelaysén dort ein Wasserkraftwerk errichtet, dessen Ausmaß weit über den ursprünglichen Projektplan hinausging. Die Anwohner Cristobal Weber McKay und Franny Parkinson sind verärgert: „Die Firma begann, den ganzen Berg zu zerstören und Straßen zu bauen“, erzählen sie. „Und am Ende wird der erzeugte Strom nicht einmal für das Dorf genutzt.“

Weil sie der Zerstörung ihres Lieblingsorts nicht mehr tatenlos zusehen wollten, gründeten sie die Bewegung Los Maquis Libres. „Als wir die Gruppe ins Leben gerufen haben, schlossen sich uns zunächst viele Menschen an.“ Doch kurz darauf habe die zuständige Stadtverwaltung versucht, Druck auf die Mitglieder auszuüben. „Viele Leute, die öffentliche Ämter innehatten, hörten auf, bei Los Maquis Libres mitzuwirken – aus Angst, ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Der Bürgermeister des Ortes verbot uns sogar, im Radio über die Bewegung zu sprechen“, sagt Weber McKay. Seit drei Jahren warteten sie darauf, dass endlich rechtliche Schritte gegen das Unternehmen eingeleitet würden. „Währenddessen müssen wir zusehen, wie ein Ort illegal zerstört wird, weil das System so langsam ist.“

Eine Chance, das System zu ändern, wurde im September 2022 vergeben. Damals gab es ein Referendum über das Inkrafttreten einer neuen Verfassung, die gleichbedeutend gewesen wäre mit einer Überarbeitung des Wassergesetzes. Doch 62 Prozent der Chilenen votierten gegen den Entwurf.

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