: Das Private ist politisch
EHRUNG Unsere Kolumnistin Kim Trau wurde mit dem Journalistenpreis von Pro Familia ausgezeichnet
Unter dem Stichwort „Sexualität(en)“ hatte Pro Familia anlässlich des 60. Jubiläums der Organisation einen JournalistInnenpreis ausgelobt. Drei Sparten – Print, Hörfunk und Fernsehen –, drei Preise. Jeweils dotiert mit 500 Euro. Unsere Kolumnistin Kim Trau ist eine der Gewinnerinnen, denn am Ende kam es anders als geplant.
Vor sechzig Jahren wurde Pro Familia gegründet. Mit Familienberatung, mit Verhütungsberatung mussten Tabus gebrochen werden. Abtreibung war illegal und strafrechtlich verfolgt – trotzdem geht man davon aus, dass in den 50er Jahren etwa eine Million Schwangerschaften im Jahr abgebrochen wurden. Oft wurde der Eingriff unter schlimmen Bedingungen vorgenommen– mit Stricknadeln auf dem Küchentisch zum Beispiel. Schätzzahlen gehen davon aus, dass bis zu zehntausend Frauen jährlich an falsch durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen starben. Meist verbluteten sie.
Einmal in die Spur gesetzt, wurde Pro Familia zu einem wichtigen Ansprechpartner auch in anderen Fragen rund um Reproduktion: Beratungen zur Pille, und, ganz wichtig, der Kampf für die Entkriminalisierung von Abtreibung, die Abschaffung des Paragrafen 218 standen auf der Pro-Familia-Agenda. Später kam die Aufklärung rund um HIV und Aids dazu. Kinderwunsch, Wechseljahre, Schwangerschaft, Geschlechtsidentität, Pränataldiagnostik sind andere Arbeitsbereiche.
Dass Pro Familia bis heute nicht nur als Beratungsstelle, sondern vor allem als politische Organisation wahrgenommen wird, von der viele Bürger und Bürgerinnen erwarten, dass sie sich aktiv dafür einsetzt, dass weitere gesellschaftliche Tabus gebrochen werden, zeigen die Einsendungen zum Journalistenwettbewerb. Neben Sexualdienstleistungen – auch für Behinderte – oder die Pille für den Mann waren vor allem Texte zu Transsexualität, Intersexualität, Geschlechtsidentität zum Wettbewerb eingegangen.
Ausgezeichnet wurden dann auch eine hervorragende Protokollserie mit Intersexuellen von Ann-Kathrin Eckardt, die in Neon erschienen war. Für den TV-Beitrag „Dirty Talk“, der bei FrauTV ausgestrahlt wurde und in dem eine Frau berichtet, wie sie dazu kam, Telefonsex anzubieten und wie sie diesen Job angeekelt nach einem halben Jahr wieder aufgab, wurde die Filmemacherin Heinke Schröder ausgezeichnet. Der Preis für den Hörfunk aber wurde von der Jury umgewidmet und ging an Kim Trau für ihre Kolumnen in der taz.
Kim Trau, eine transsexuelle Frau, die früher ein Mann war, lässt die Leser und Leserinnen seit 2010 an ihrer Auseinandersetzung und Verwandlung teilhaben. Es sei, meinte die Laudatorin Susanne Krieg von Geo auf der Jubiläumsgala am 5. Mai, auf der auch die Preise vergeben wurden, als machten die Lesenden damit selbst eine Entwicklung mit durch. Deutlich wird anhand von Kim Traus Kolumnen, dass Persönliches politisch sein kann. WALTRAUD SCHWAB
■ Kim Trau kolumniert in dieser sonntaz-Ausgabe auf Seite 22