kritisch gesehen: afropollination in hamburg: Transkontinentales Labor auf der „MS Stubnitz“
Klar, es klingt ein wenig abgedroschen – aber am Ende des Abends steht kein Fuß mehr still. Und vermutlich haben nicht wenige im Publikum einen neuen Blick auf ihr eigenes Hinterteil gewonnen. Das hat nicht zuletzt mit Zai und Nana zu tun, zwei Tänzerinnen aus Tansania, die zur Musik von Jay Mitta (Tansania), DJ Diaki (Mali) und Zoë Mc Pherson (Deutschland) eindrucksvoll gezeigt haben, was sich damit alles anstellen lässt. Sagen wir so: Versuchen Sie einfach mal, eine – aber eben nur eine – Pobacke zu 200 Beats in der Minute zu bewegen. Falls Sie sich darunter jetzt nicht viel vorstellen können: Ihr Herz schlägt zwischen 60 und 100-mal in der Minute.
Die hyperschnellen Beats, zu denen Zai und Nana am Dienstagabend ihre Tanzkunst vorführten, haben ihren Ausgangspunkt im tansanischen Singeli und dem malischen Balan – im Zusammenspiel mit der Berliner Klangkünstlerin McPherson kommen weitere Facetten hinzu. Der verschachtelte Konzertraum im Bauch der „MS Stubnitz“ scheint bestens geeignet, das zu fassen, was in diesem Projekt namens „Afropollination“ konzeptionell angelegt ist: Wahrnehmung und Begegnungen aus den unterschiedlichsten Perspektiven und Winkeln, eingebettet in einen von der Außenwelt geschiedenen Raum. Interdisziplinär und international haben die Künstler*innen in den vergangenen Tagen hier zusammengearbeitet, haben erprobt, wie die jeweiligen Formen und Sprachen in den Dialog kommen können. Und das ganz ausdrücklich unter der Prämisse, dass Tanz und Musik im Grunde nicht zu trennen sind.
Eröffnet wurde der Dienstagabend mit einem Set des Berliner Produzenten Bloomfeld, Miziguruka aus Ruanda und Phatstoki aus Südafrika – das Tempo ist deutlich langsamer, die Atmosphäre düster. Es ging, wenn mein Suaheli mich nicht täuscht, um Krieg und Kriegerinnen. Tanz hatte dabei nicht die gleiche zentrale Bedeutung wie im zweiten Teil des Abends; „Afropollination“ ist eben ein Experimentierfeld, das auch unerwartete Resultate hervorbringen darf.
Das Projekt bringt auf Initiative des Kollektivs Boutique Foundation/Nyege Nyege aus Kampala und der Berliner Agentur Piranha Arts Musiker*innen und Tänzer*innen aus Europa und Afrika zusammen, um neue Blicke aufs jeweils Eigene zu werfen. Auf der Stubnitz entstanden so die Performances, die derzeit auch auf dem Festival CTM in Berlin zu sehen sind; im Sommer wird es Nachschlag geben. Hamburger*innen haben schon heute Gelegenheit, ins brodelnde Labor zu schauen. Andreas Schnell
Afropollination mit Binghi, Astan Ka, Exocé, Menzi und Debmaster: Do, 2. 2., 20.30 Uhr;
Stubnitz Bassline presents MC Yallah & Debmaster sowie No time for beaver: Do, 16. 2., 20.30 Uhr, Hamburg, MS Stubnitz
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