piwik no script img

„While I was waiting“

Im autoritären Belarus sind Menschen, die ihr Leben individuell gestalten wollen, nicht gern gesehen. Die Fotografin Julia Autz hat sie in ihren eigenen vier Wänden porträtiert. Im Privaten. Und im Wartestand auf eine bessere Zukunft

Von Julia Autz

Der Titel meiner Arbeit „While I was waiting“ ist eine Anspielung auf die Massenproteste in Belarus im Sommer 2020. Leider sind sie allesamt ins Leere gelaufen. Trotzdem wollte ich den politischen Umbruch in mein Projekt integrieren. Meine Bilder sind im Zeitraum von 2017 bis 2019 bei mehreren Aufenthalten in Belarus entstanden, also im Vorfeld der Proteste. Und ich zeige das „Warten und Hoffen“ der Menschen auf einen möglichen Wandel.

Erstmals bin ich 2017 nach Belarus gereist. Zu diesem Zeitpunkt war das Land für die meisten Menschen nichts weiter als ein weißer Fleck auf der Landkarte, kaum jemand kannte es. Deshalb fand ich es sehr wichtig, etwas über Belarus und die Lebenssituation der Menschen dort zu erzählen. Ich wollte herausfinden, was es bedeutet, als junger Mensch in einem autoritären System aufzuwachsen und zu leben. Hierfür habe ich nach Menschen gesucht, die abseits der Norm leben und nach einer Individualität streben, die in Belarus nicht gerade erwünscht ist. Künstler zum Beispiel, Aktivisten, Musiker, Leute aus der LGBTQI*-Szene. Menschen, die nicht dem staatlichen Plan folgen und ihren eigenen – einen anderen, als den von der Gesellschaft vorgeschriebenen – Weg gehen.

Selbstverwirklichung findet in Belarus nur noch in privatem Raum statt. In der Öffentlichkeit sind die Menschen gezwungen, sich anzupassen. Ständig herrscht ein Gefühl der Angst und der Überwachung. Zurückgezogen in den eigenen vier Wänden konzentrieren sie sich auf das eigene Leben und versuchen die Realität auszublenden, die Freiheit im Inneren zu konservieren. Um die Bedeutung des Privaten zu betonen, habe ich viele der Menschen bei sich zu Hause porträtiert. Anhand intimer Porträts möchte ich zeigen, wie es sich anfühlt, unter diesen Umständen zu leben.

Julia Autz, geboren 1988 in Heidelberg, hat Fotografie im Master of Arts an der Fachhochschule Bielefeld studiert. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Für ihre Arbeit „While I was waiting“ erhielt sie das Grenzgänger-Recherchestipendium.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen