Rettungskräfte beenden Suche nach ­Überlebenden in Dnipro

Nach dem tödlichen Raketeneinschlag werden weitere Menschen vermisst. Präsidentenberater tritt zurück

Von Gemma Terés Arilla

Weitere 20 Menschen werden vermisst – dennoch haben die ukrainischen Rettungskräfte die Suche nach Überlebenden des verheerenden Angriffs auf ein Wohnhaus in Dnipro eingestellt. 44 Tote und 79 Verletzte lautete die vorläufige Bilanz nach dem Raketeneinschlag am Samstag auf das neunstöckige Wohngebäude in der zentralukrainischen Stadt.

Der Angriff in Dnipro am Wochenende ist nach Angaben des UN-Generalsekretärs António Guterres einer der tödlichsten seit Kriegsbeginn. Guterres sprach von einem „weiteren Beispiel für eine mutmaßliche Verletzung des Kriegsrechts“.

Laut dem oppositionellen russischen Internetportal Astra haben Unbekannte am Dienstag Blumen an einem Denkmal im Zentrum der russischen Hauptstadt Moskau niedergelegt. Neben der Skulptur, die an die ukrainische Dichterin Lessja Ukrajinka erinnert, wurde ein gerahmtes Foto des zerstörten Wohnhauses in Dnipro platziert.

Im ukrainischen Kabinett ist einer der Kollateralschäden des Angriffs in Dnipro der am Dienstag bekannt gegebene Rücktritt des Präsidentsberaters Oleksij Arestowytsch. Er war nach dem Kriegsbeginn durch seine täglichen Videos bekannt geworden. Arestowytschs Äußerungen zum Luftangriff in Dnipro sorgten seit dem Wochenende für große Aufregung in der Ukraine: Er hatte erklärt, dass der ­Marschflugkörper des Typs Kh-22 von der ukrainischen Flugabwehr abgeschossen worden sei.

Nun entschuldigte er sich auf Facebook bei den Opfern und Verwandten für seine „fehlerhafte Darstellung“. Nach ukrainischen Angaben ist die ukrainische Armee nicht in der Lage, solche russischen Raketen abzufangen. Der Präsidentenberater hatte im August vergangenen Jahres seine potenzielle Kandidatur als Präsident der Ukraine angekündigt, sollte Wolodimir Selenski nicht für eine zweite Amtszeit antreten wollen. Wie der aktuelle Staatschef ist der Berater von Beruf unter anderem Schauspieler gewesen.

Der Leiter des Büros des ukrainischen Präsidenten, Andrij Jermak, nannte bei dem Wirtschaftsforum in Davos eine Zahl von 9.000 getöteten Zivilisten seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022. Darunter seien 453 Kinder, sagte Stabschef Jermak gegenüber Nachrichtenagenturen.

„Jeder, der für dieses Verbrechen verantwortlich ist, wird identifiziert“

Wolodimir Selenski, Präsident der Ukraine

Der ukrainische Präsident Selenski bezeichnete in einer Videoansprache den tödlichen Angriff in Dnipro als „Kriegsverbrechen“ und fügte hinzu: „Jede Person, die für dieses Kriegsverbrechen verantwortlich ist, wird identifiziert und vor Gericht gestellt.“

Die Aussagen von Guterres und von Selenski kommen, einen Tag nachdem die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in den Haag die Notwendigkeit eines Sondertribunals für Russland betont hatte.

Moskau kann nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Rechenschaft gezogen werden, weil Russland nicht Teil des Gerichtshofs ist und weil es als ständiges UN-Mitglied sein Vetorecht im Sicherheitsrat ausüben würde.