Facetime mit dem Tiktok-Superstar

Volle Handydämmerung beim Konzert von US-Popidol Steve Lacy am Montag im Berliner Metropol-Theater. Immerhin, die Fans sind textsicher

Am Ende seines Monologs liegt er über dem Mikrofon­ständer. Er trägt Sonnenbrille

Von Louisa Zimmer

US-Künstler Steve Lacy wurde durch Tiktok berühmt. Das macht sich bei seinem Konzert in Berlin am Montag leider bemerkbar. Bevor es losgeht, wird ewig Musik von Konserve gespielt, die Handys filmen trotzdem. Gegen 21.25 Uhr steht er endlich auf der Bühne des Metropol-Theaters, ohrenbetäubendes Geschrei vom Publikum.

Lacy ist der jüngste Superstar der Generation Z. Der 24-jährige Kalifornier ist mit seiner Melange aus R&B, Rock und Soul zum Superstar aufgestiegen, auch weil er hyperproduktiv ist. 2022 erschien sein zweites Album „Gemini Rights“. Die Single „Bad Habit“ erreichte Nummer eins der US-Charts.

Der Hype verändert auch die Fanbase des Künstlers. Bei seinem letzten Konzert im Herbst 2019 bat er mit Plakaten, dass Handys ausbleiben. Diese Mühe macht sich sein Team heute nicht mehr. Immerhin ermahnt Lacy zu Beginn, das Filmen zu unterlassen.

Die Fans sind schon bei der kleinsten Regung aus dem Häuschen. Selbst als Lacy nur Feedback testen will, wird tosend gekreischt. „Have you seen my tour clips?“, fragt er in die Menge. Damit spielt er auf die Videos an, die von Fans während seiner US-Tour geteilt worden sind.

Neulich gab es aber auch Ärger, als er einem Fan das Handy entriss. „They try to paint me into an asshole“, beschwert sich Lacy in Berlin. Vielleicht hilft diese emotionale Ansprache, die Faneskapaden halten sich am Montagabend in Grenzen.

Zudem ist die Menge textsicher. Nicht nur sein größter Hit „Bad Habit“, auch alte Songs werden lauthals von der Menge geschrien. Lacy kokettiert in vielen Momenten mit der Aufmerksamkeit. Den Song „Static“ spielt er gleich zweimal. Dabei werden er und seine Band überflüssig, die Menge untermalt die Musik als einwandfreie Karaokeversion. Die Zeile „Looking for a bitch / cause I’m over boys“ wird dabei besonders laut geschmettert.

Lacy versteht es ohnehin, mit den Emotionen seiner Fans zu spielen. Zu den Zeilen „Girl, you’re the one I want / You’re the one I need“ des Songs „Infrunami“ zeigt er mit dem Finger ins Publikum. In einer Pause geht er auf Tuchfühlung mit seinem Mikrofonständer, macht sich über schmalzige R&B-Künst­le­r:In­nen lustig.

Am Ende seines Monologs liegt er über dem Mikrofon­ständer. Die witzigen Ansprachen heitern die Stimmung auf, auch wenn Lacy dabei unnahbar wirkt. Er trägt eine Sonnenbrille. Diese wechselt er sogar mehrmals aus. Nach „Bad Habit“ streift er sich eine überdimensionierte Brille auf, zieht sein Hemd aus. Sein Talent präsentiert er in zahlreichen ausgedehnten Soli und Improvisationen. In diesen Momenten wirkt Lacy, als ob er das Publikum ausblendet.

Gekonnt tänzelt die Band zwischen R&B, Soul, Rock und Pop umher. Lacy selbst erinnert in seinen lasziven Moves an Prince. Leider gehen diese Fähigkeiten zwischen den Lichtern der Handybildschirme unter. Es werden persönliche Botschaften gezeigt oder BeReals gemacht.

Als Lacy „Bad Habit“ spielt, werden sogar Facetime-Anrufe von Fans geschaltet. Dadurch entsteht der Eindruck, dass viele Zu­schaue­r:In­nen den Moment des Songs im Konzert ihres Idols gar nicht genießen können.

Nun ist die leidige Debatte über die Handynutzung bei Konzerten nichts Neues. Nach dem Ende der pandemiebedingten Tournee-Absagen hat sich die Debatte noch zugespitzt. Die Generation Z hätte aufgrund mangelnder Konzerterfahrung keine Etikette, schrieben einige Medien. Das ließe sich besonders bei Künst­le­r:in­nen beobachten, die einen Tiktok-Hit hätten.

So hinterlässt auch das Steve-Lacy-Konzert einen Nachgeschmack. Musikalisch gab es nichts zu bemängeln, die Interaktionen des Künstlers mit dem Publikum waren zahlreich. Ohne die ablenkende Dauerbestrahlung wäre es aber deutlich beeindruckender gewesen.