Gesichter der Artenkrise

Der WWF hat für das Jahr 2022 die Gewinner und Verlierer im Tierreich gekürt. Das Ziel: das Artensterben ins gesellschaftliche Bewusstsein zu tragen

Von Nanja Boenisch

Rentiere und Breitmaulnashörner waren die Verlierer 2022 – zumindest laut der Jahresbilanz der Umweltorganisation WWF. Die Bestände dieser Tiere seien wegen illegaler Wilderei und dem Klimawandel massiv zurückgegangen. Die Erderhitzung habe auch den Schwebfliegen in Europa und den Kaiserpinguinen der Antarktis zu schaffen gemacht, hinzu kämen menschliche Eingriffe in ihre Lebensräume. Zu den Verlierern dieses Jahres gehört auch eine wilde Wisentherde im Rothaargebirge, für die das Land Nordrhein-Westfalen die Verantwortung zurückweist.

Vor wenigen Tagen hatte ein breites Bündnis der Umweltverbände Nabu, WWF und BUND in einem gemeinsamen Brief gefordert, dass das Bundesland „seiner rechtlichen sowie ethisch-moralischen Verpflichtung nachkommen und den Wisenten in NRW eine Zukunft sichern“ müsse. Im Zeitalter des größten Artensterbens sei die Wiederansiedlung von Arten ein wichtiger Baustein, um nicht nur die Art zu erhalten, sondern auch um ihre wichtige und multidimensionale Funktion in einem Ökosystem zu nutzen, heißt es in dem Brief.

„Wenn wir unsere Natur weiter in dem Tempo zerstören, gehören wir Menschen auch zu den großen Verlierern“, sagt WWF-Vorstand Christoph Heinrich. Das Schicksal der auf der Verliererseite gekürten Arten stehe für die Bedrohung weiterer Spezies: Mehr als 42.100 Pflanzen- und Tierarten gelten der Internationalen Roten Liste zufolge als gefährdet.

Dass es sich lohnen kann, gegen Naturzerstörung und Biodiversitätsverlust zu kämpfen, sollen die Gewinner des Jahres zeigen. So haben sich laut WWF etwa die Populationen des Buckelwals und des Tigers erholt. Gewinner seien außerdem kommerziell gehandelte Hai- und Rochenarten: Im November beschloss die Weltartenschutzkonferenz strengere Regeln für den Handel, die der Überfischung entgegenwirken sollen. „Das Artensterben und der Verlust von Natur sind noch immer eine stille Krise“, heißt es vom WWF, die hervorgehobenen Arten würden der Krise ein Gesicht geben. Hoffnung mache laut Christoph Heinrich das vor Kurzem in Montreal beschlossene Naturschutzabkommen: „Die Umsetzung muss jetzt klappen.“