: Von Zeitreisen, Gevatter Tod und einer Käseplatte
Fürs Konzept und das Drehen seines Episodenfilms „Zimmer auf Zeit“ hat Regisseur Oliver Clark nur zwei Wochen gebraucht. Heute ist der zum ersten Mal beim Filmfestival in Göttingen zu sehen
Von Wilfried Hippen
Wie baut man eine Zeitmaschine, obwohl man überhaupt kein Geld dafür hat „Mach mal!“, sagte der Regisseur Oliver Clark zu seinem Ausstatter mit dem schönen Namen „Sven Piepkorn“. Nach einer halben Stunde brachte Piepkorn für die Science-Fiction-Episode des Films „Zimmer auf Zeit“ tatsächlich eine Zeitmaschine zum Filmset: ein Kasten mit allerhand Armaturen, Zeigern und einer Kurbel, den sich der Zeitreisende auf den Bauch bindet.
Ach ja, ganz oben ragt noch ein Kleiderbügel aus der Apparatur heraus, und Kenner*innen des Genres erkennen darin sofort eine Anspielung auf das Bügeleisen, das bei der Fernsehserie „Raumpatrouille“ in der Kommandozentrale des Raumschiffs Orion eingebaut wurde. Minimalismus kann auch die Chance für originelle Regie-Einfälle schaffen, und minimalistischer als „Room to Roam“ (so der englische Originaltitel) kann ein fast die klassischen 90 Minuten langer Spielfilm wohl kaum produziert werden.
In nur zwei Wochen von der ersten Idee bis zur letzten Klappe haben Oliver Clark, sein Bruder SD Clark und ein Filmteam, das bereit war, für so gut wie nichts zu arbeiten, diesen Film gedreht. Die Postproduktion dauerte dann drei Jahre, denn alle Beteiligten mussten ja mit anderen Jobs Geld verdienen, und da blieb der Film dann oft eine Weile liegen.
Es gibt Filme, bei denen die Produktionsgeschichte interessanter ist als die Filmhandlung, und zu denen zählt „Zimmer auf Zeit“. In dem Episodenfilm wird von den Gästen in einem ziemlich schäbigen Hotelzimmer erzählt, und die spielt der Bruder des Regisseurs SD Clark. In einigen Episoden taucht auch Karin Reilly als seine Filmpartnerin auf und in einer Showeinlage tritt kurz das Hillbilly-Trio „Hearburn Billy and his Burning Harz“ auf (ja „Harz“, der Film wurde im südlichen Niedersachsen gedreht).
Aber für mehr als zwei Drittel des Films sieht man nur den einen, schon etwas älteren und auch nicht besonders fotogenen Mann. Dafür ist er komisch, denn die Episoden wirken wie kleine Sketche. Oliver Clark nennt dann auch die Monty Pythons als seine Vorbilder.
In den zehn Episoden des Films werden jeweils Filmgenres parodiert. Im Stil des Film noir und deshalb in Schwarz-Weiß versucht etwa ein Priester seine verstorbene Geliebte wieder zum Leben zu erwecken. Ein Hotelgast wird von seiner rachsüchtigen Freundin vergiftet und auch ein Teddy Boy mit Elvistolle schafft es nicht lebendig aus dem Zimmer heraus.
Die „Clark Brothers“ (so nennen sie sich selber im Abspann) lassen gerne ihre Filmfiguren über die Klinge springen. Harmlosere Pointen wie die liebevoll servierte Käseplatte für eine Freundin, die Veganerin ist oder der Lottogewinn eines Ehepaars, das an dem Elend des Daseins verzweifelt, sind da eher die Ausnahme. Und auch der Zeitreisende muss schließlich den Löffel abgeben, weil er sich in der Vergangenheit selber begegnet und umbringt.
Die kurzen Geschichten sind auf die Pointen hin geschrieben, und wirklich originell ist keine von ihnen. Aber der leibhaftige Tod, der seine Sichel an einen Sessel gelehnt hat und sich beim Todesdatum um zwei Wochen vertut, wird von SD Clark mit solch einer Freude am schmierenkomödiantischen Spiel gegeben, dass man gerne amüsiert zusieht.
Und mehr wollten die Clarks mit ihrem ersten gemeinsamen Spielfilm auch gar nicht erreichen. Oliver Clark lebt und arbeitet in Göttingen und hat einen britischen Vater. SD Cark ist sein vollbritischer Halbbruder. Der eine ist Filmregisseur, der andere Schauspieler und da bot es sich an, einmal zusammen einen Film zu machen. Bei einem zwei Wochen langen Besuch des Briten in Göttingen kamen die beiden dann auf die Idee. Und vor allem dem Drehbuch merkt man an, dass es mehr in Stunden als an Tagen geschrieben wurde.
Aber wirklich danebengegangen ist keine der zehn Episoden, die TV-Kochshow mit der französischen Käseplatte etwa ist so sorgfältig gestaltet, dass sie in der Postproduktion die rundliche Rahmung eines altmodischen Fernsehbildschirms bekommen hat.
Da der Hauptdarsteller Brite ist, wird britisch gesprochen, und dies hat den willkommenen Nebeneffekt, dass der Film international besser vermarktet werden kann. Aber allzu große Hoffnungen sollten sich die Clark Brothers da nicht machen. Denn „Zimmer auf Zeit“ ist ein filmischer Schnellschuss, dem man dies auch ansieht. Aber langweilig ist er nie.
„Zimmer auf Zeit“, Regie: Oliver Clark, mit SD Clark, Karin Reilly sowie Heartburn Billy and His Burning Harz, D/GB/IRL 2022, englische Originalfassung mit Untertiteln, 82 Minuten
Weltpremiere: heute, 20 Uhr. Kino Méliès; im Rahmen des 43. Europäischen Filmfestivals Göttingen
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