: „Das kann nicht zufriedenstellend sein“
Bei den Vereinen des Hamburger Sportbunds besetzen Männer 82 Prozent der Leitungsfunktionen
Dorothee Kodra55, arbeitet seit mehr als elf Jahren als Referentin bei der Hamburger Sportjugend. Seit März ist sie überdies zuständig für Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt im Hamburger Sportbund (HSB).
taz: Frau Kodra, sind Sie zufrieden mit der Geschlechtergerechtigkeit im Hamburger Sportbund (HSB)?
Dorothee Kodra: Weitestgehend. Wenn man allerdings in unseren gerade veröffentlichten Gleichstellungsbericht reinsieht, sieht man zum Beispiel einige Kommissionen im HSB, bei denen offensichtlich nicht ganz so gut drauf geachtet worden ist, dass es eine ausgewogene Geschlechterverteilung gibt. Es gibt also einige Aspekte, bei denen es Nachholbedarf gibt.
Und im Hamburger Sport im Allgemeinen?
Bei unseren Mitgliedsvereinen sind 82 Prozent der Leitungsfunktionen mit Männern besetzt. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, was Geschlechtermissverhältnisse angeht. Das kann nicht zufriedenstellend sein.
Wie wollen Sie konkret Ihr Ziel der Geschlechtergerechtigkeit im HSB erreichen?
Es gilt uns selbst dafür zu sensibilisieren, bei jeder Neubesetzung, hauptamtlich wie ehrenamtlich, zu gucken, ob nicht eine ausgeglichenere Geschlechterverteilung sinnvoll ist.
Und bei den Vereinen und Verbänden?
Dort haben wir mit der Veröffentlichung des Gleichstellungsberichts und einer ersten Veranstaltung angefangen ins Gespräch zu gehen, haben zum ersten Mal die Zahlen an die große Glocke gehängt. Da sollte ein Bewusstsein entstehen und auch ein Wille, das zu verändern. Diejenigen, die den Willen haben, würden wir gerne unterstützen.
Wie wollen Sie sie unterstützen?
Wir könnten Vereine zum Beispiel mit einem Angebot zur Organisationsentwicklung unterstützen. Eine andere Möglichkeit wäre, sich über Fördermittel Gedanken zu machen. Kann man zur Voraussetzung machen, dass nur noch gefördert wird, wer auch auf Geschlechtergerechtigkeit achtet?
Was sind denn abseits der Besetzung von Führungspositionen noch Sexismusprobleme im Hamburger Sport?
Sexismus kommt in allen Gesellschaftsbereichen vor und macht auch vor dem Hamburger Sport nicht halt. Bei Sportvereinen, die sehr stark männlich geführt werden, liegt es sehr nahe, dass sie auch unbewusst sexistisch und geschlechterdiskriminierend sprechen und handeln. Ich glaube, das ist ein Grund, warum die Verteilung ist, wie sie ist.
Haben Sie Beispiele für diesen unbewussten Sexismus?
An vielen Stellen ist es ein fehlendes Mitdenken von Lebensmodellen außerhalb des klassischen männlichen Lebensmodells, auch wenn sich das immer weiter aufweicht. Es geht aber auch um so etwas wie Angebote in Vereinen. Wer hat welchen Zugang wohin? Haben Mädchen und Jungen die gleiche Chance, ein und dieselbe Sportart zu machen?
Haben sie die?
Da würde ich an vielen Stellen sagen, nein, da gibt es nicht genügend Angebote, um tatsächlich eine Chancengerechtigkeit herzustellen. Dann muss man aber noch weitergehen und das geht über den Sport hinaus. Die Sportartwahl wird bei Jungen und Mädchen ja nicht nur durch das Sportangebot bestimmt, sondern auch durch Eltern und Freunde und Freundinnen, die oftmals nach alten Geschlechtermustern handeln.
Geschlechterdiskriminierung betrifft vor allem TIQ-Personen. Was tun Sie für diese?
Das ist noch im Aufbau. Im HSB gibt es eine Kommission, die aktuell ein auf den Sport bezogenes Netzwerk aufbaut. Es geht darum, ein Bewusstsein für die Thematik zu schaffen und sich mit den Vereinen auseinanderzusetzen: Was geht mich das eigentlich an und wie gehe ich damit um? Interview: Hagen Gersie
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