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Archiv-Artikel

Plötzlich mittendrin

Fünf Jahre lang versuchte Sabine Klaschka aus München vergeblich, sich für ein Grand-Slam-Turnier zu qualifizieren. Nun durfte sie in Wimbledon auf dem Centre Court spielen – und gewann auch noch

AUS WIMBLEDON DORIS HENKEL

Dies ist eine Geschichte, in der es um Geduld geht und um unverhofftes Glück. Fünf Jahre lang hat Sabine Klaschka, 24, aus München versucht, sich für eines jener vier Turniere zu qualifizieren, die das Beste in ihrem Beruf als Tennisprofi sind. Sie hat es in Melbourne probiert, in Paris, in Wimbledon und New York. Neunmal insgesamt. Am Anfang immer wieder mit Hoffnung, am Ende immer wieder enttäuscht. Doch auf einmal passt wie von Geisterhand geführt alles zusammen. Dass sie vergangene Woche beim Qualifikationsturnier in Roehampton drei Spiele in Folge gewann und damit einen Platz im Hauptfeld ergatterte, fand sie schon toll. Dann erfuhr sie eine halbe Stunde vor ihrem ersten Auftritt in Wimbledon, dass sie nicht irgendwo, sondern auf dem Centre Court spielen würde. Peng, Treffer. Auf einmal mittendrin statt nur dabei.

Und wie fühlt sich jemand, der normalerweise in Bari, Belfort oder Zagreb spielt, vor der Tür zum berühmtesten Tennisplatz von allen? Sabine Klaschka sagt: „Ist doch ein Traum“. Sicher sei sie nervös gewesen, aber erstaunlicherweise weniger nervös als vor der letzten Runde der Qualifikation. Und erst recht weniger als die Gegnerin, die vor dem Spiel heulend in der Kabine saß. Elena Baltacha, in Kiew geboren und seit einer Weile als größte Hoffnung des britischen Frauentennis von den Zuschauern mit gewissem Interesse verfolgt, machte auf dem Centre Court keine tolle Figur; nach ihrer 3:6, 2:6-Niederlage gab sie zu, so schlecht habe sie in Wimbledon noch nie gespielt. Was Sabine Klaschka nicht weiter störte. Nachdem sie sich an die Dimensionen des Centre Courts gewöhnt hatte („Ich dachte, er wäre größer“), stellte sie mit großer Freude fest, dass man auf diesem Teppich ganz anders Tennis spielen kann als noch ein paar Tage zuvor auf der hügeligen Wiese in Roehampton.

Es ist dieser Unterschied zwischen draußen und drinnen, der alle Debütanten fasziniert. Auch Tobias Summerer, 22, aus Freising hatte sich zum ersten Mal für einen Auftritt im Hauptfeld qualifiziert. Er verlor zwar in der ersten Runde gegen den Kroaten Mario Ancic in drei Sätzen, fand aber zu Recht, er habe sich ganz gut behauptet in diesem Spiel. Und überhaupt sei das eine große Sache in Wimbledon: „Dieser Rasen … der ist so angenehm, so weich.“ Ja, am Anfang schwärmen selbst die Verlierer. Summerer jedenfalls hat erkannt, dass er dieses Spiel auf Rasen mag; im nächsten Jahr will er versuchen, mehr daraus zu machen.

Die Kollegin Klaschka kann es gleich probieren, Mittwoch im Spiel der zweiten Runde gegen die Russin Jelena Dementjewa, Finalistin der French Open und der US Open 2004. Der Abstand zu Dementjewa in der Weltrangliste ist nicht gerade klein; die ist Nummer 5, sie selbst ist Nummer 177. Aber die Debütantin meint, wer locker bleibe, habe immer eine Chance; schließlich habe sie ja bisher sowohl in der Qualifikation als auch in der ersten Runde jedes Mal Spielerinnen besiegt, die in der Rangliste weit vor ihr stünden.

Und selbst wenn die Wundertüte nun bis auf weiteres erst mal wieder geschlossen werden müsste, könnte es doch sein, dass Sabine Klaschka quasi im zweiten Versuch ihrer Karriere die Kurve kriegt. Der erste endete vor drei Jahren in einem Sommer voller schlechter Spiele und in der Überlegung, ob es wirklich einen Sinn mache, Profi zu sein. Ein Dreivierteljahr lang dachte sie nach, holte in dieser Zeit das Abitur nach und schrieb sich für BWL per Fernstudium ein. Inzwischen weiß sie, dass sich Fernstudium und Profitennis gar nicht schlecht kombinieren lassen – zur Freude der gesamten Familie, vor allem der Schwestern Jennifer, 23, und Carmen, 18. Jennifer stand in der Weltrangliste mal auf Position 1.160, Carmen hat es bisher zur Nummer 626 gebracht. Aber was sind schon Zahlen? Eines Tages wacht man auf und landet auf dem Centre Court. Peng!