Klimaproteste sollen weitergehen

Trotz des Hirntods einer Radfahrerin will die „Letzte Generation“ weitermachen. Rettung soll sich durch Blockade verzögert haben

Das Fahrrad der für hirntot erklärten 44-Jährigen in der Bundesallee    Foto: Paul Zinken/dpa

Von Marie Frank

Drei Tage nachdem eine Radfahrerin auf der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf von einem Betonmischer überrollt und lebensgefährlich verletzt wurde, ist die 44-Jährige für hirntot erklärt worden. Das teilte die Polizei am Donnerstag mit.

Laut Angaben der Feuerwehr hatten sich die Rettungsarbeiten am Montagmorgen um mehrere Minuten verzögert, weil ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lkw zu befreien, in einem Stau auf der Stadtautobahn stand. Dieser soll durch eine Blockade der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ ausgelöst worden sein.

Die Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen zeigten sich auf Twitter bestürzt über den Tod der Frau und wünschten den Angehörigen viel Kraft. Trotzdem erklärten sie, weitermachen zu wollen. „Wir unterbrechen den Alltag, weil wir uns in einem Notfall befinden. Der Kurs der Regierung ist todbringend, selbstzerstörerisch und führt uns ins Klimachaos“, so die „Letzte Generation“ am Donnerstag. „Friedlicher Widerstand gibt uns die größte Chance, die nötigen Veränderungen in der geringen Zeit noch zu erreichen.“

Ob die Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen eine Mitschuld an dem tragischen Tod der Radfahrerin tragen, ist noch nicht geklärt. Die Polizei ermittelt gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Männer, die sich auf der A100 an einer Schilderbrücke festgeklebt hatten, wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen. Mit Sachverständigen soll nun der kausale Zusammenhang zu den Blockaden geprüft werden, heißt es von der Polizei.

Die Klimaschutzgruppe hatte zuvor erklärt, bei ihren Blockaden sorgfältig auf das Einhalten von Rettungsgassen zu achten. Ein Feuerwehrsprecher räumte ein, dass die Bildung einer Rettungsgasse angesichts der Größe des Fahrzeugs problematisch gewesen sei.

„Die Straftäter müssen schnell und konsequent verfolgt werden“

Nancy Faeser (SPD), Innenministerin

Trotz der laufenden Ermittlungen werden die Rufe nach einem härteren Vorgehen gegen die Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen immer lauter. „Wenn Straftaten begangen werden und andere Menschen gefährdet werden, ist jede Grenze legitimen Protests überschritten“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag. „Die Straftäter müssen schnell und konsequent verfolgt werden.“ Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) hatte sich zuvor wiederholt gegen eine Einmischung in die Ermittlungen ausgesprochen.

Ob die „Letzte Generation“ weiterhin mit Straßenblockaden gegen die Klimapolitik der Bundesregierung protestiert oder auf andere Aktionsformen umschwenkt, war am Donnerstag noch unklar. Am Mittwoch hatten Ak­ti­vis­t*in­nen die Parteizentralen von FDP, SPD und Grünen mit orangener Farbe besprüht. Ende Oktober warfen sie Kartoffelbrei auf ein Monet-Gemälde im Museum Barberini in Potsdam, das durch eine Glasscheibe geschützt war. Nach dem tragischen Unfall erklärte Sprecherin Aimée van Baalen, alle Protestformen einzustellen, „sobald die Regierung die ersten Sicherheitsmaßnahmen gegen den drohenden Klimakollaps ergreift“.

Währenddessen hat die Polizei ihre Ermittlungen zu dem Unfall fortgeführt und einen Mann festgenommen, der am Unfallort auf den Lkw-Fahrer mit einem Messer eingestochen haben soll. Der 48-Jährige wurde am Mittwochabend in der Nähe des Tatorts gefasst. Laut Polizei soll es siche um einen Obdachlosen handeln, auch gebe es ­Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Der 64-Jährige Lkw-Fahrer konnte das Krankenhaus am Donnerstag verlassen. (mit dpa)