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Keine Grenzen, aber wertvoll

Nach dem 5:0 gegen Stuttgart ist vor dem Champions-League-Highlight Manchester City: Jude Bellingham entwickelt sich zur prägenden Figur der Teenager-Garde von Borussia Dortmund, die aber weiter an ihrer Konstanz arbeiten muss

Aus Dortmund Marcus Bark

Überlebensgroß prangt Jude Bellingham derzeit von Plakatwänden. Das Produkt, für das er wirbt, habe „keine Grenzen“, verspricht der Slogan neben dem Gesicht des 19-jährigen Fußballprofis. So, wie Bellingham am Samstag wieder spielte, ist die Frage, wann er an Grenzen stößt. Zum ersten Mal in einem Bundesligaspiel, von denen er nun 72 zu Buche stehen hat, schoss der Engländer zwei Tore. Es waren seine ersten beiden Ligatore in dieser Saison. In der Champions League hat er schon doppelt so häufig getroffen, schön verteilt ein Tor pro Spiel.

Bellingham wird es trotz dieser Bilanz nicht schaffen, vor dem Spiel am morgigen Dienstag in der Champions League gegen Manchester City Erling Haaland die Hauptrolle zu nehmen. Aber die wichtigste Nebenrolle gebührt ihm, wenn er in das Duell gegen seinen ehemaligen Mannschaftskollegen geht.

Ein bisschen müde war er in der vergangenen Woche, daher bat Bellingham seinen Trainer Edin Terzić, ihm mal eine Pause zu gönnen. Als es im Pokalspiel beim Zweitligisten Hannover 96 trotz einer Führung schlecht lief, kam er herein, holte einen Elfmeter heraus und verwandelte selbst zum 2:0-Endstand.

Beim 5:0 gegen den VfB Stuttgart war Bellingham dann wieder von Anfang an auf dem Platz – und kurze Zeit später im Strafraum der Stuttgarter. Nach 90 Sekunden schoss er das 1:0, das den Weg zur besten Saisonleistung der Dortmunder ebnete. „Er war für uns wieder derjenige, der das Spiel in die richtige Richtung lenkt. So ist er unfassbar wertvoll für die Mannschaft“, lobte Sportdirektor Sebastian Kehl. Und der Trainer sagte über Bellingham: „Es ist außergewöhnlich, in dem Alter so konstant zu spielen.“

In der Mannschaft des BVB gibt es zwei Hauptrollen. Die eine spielt Bellingham, die andere der wesentlich ältere Mats Hummels. Der 33 Jahre alte Innenverteidiger hatte seine Kollegen zuletzt öffentlich ermahnt, schnörkelloser und somit zielstrebiger zu spielen, vor allem aber im Sinn der Mannschaft und nicht aus Egoismus. Das klappte bestens, wie der Trainer hervorhob: „Was mir am besten gefallen hat, war, dass kein Tor nach einem 60-Meter-Solo gefallen ist. Wir haben als Team Bälle erobert und als Team kombiniert.“

So etwa beim 3:0 kurz vor der Pause, als der 17 Jahre alte Youssoufa Moukoko den Ball zum 19 Jahre alten Giovanni Reyna passte, der ihn zum 3:0 ins Tor schlenzte. Stuttgarts Torwart Florian Müller merkte zwar zu Recht an, dass „wir nicht verteidigt haben“, und das war auf das gesamte Spiel bezogen, aber die Dortmunder waren auch sehr gut.

„Er ist derjenige, der das Spiel in die richtige Richtung lenkt“

Sebastian Kehl, BVB-Sportdirektor

„Die beste Reaktion auf Kritik ist es, Spiele zu gewinnen – natürlich auf diese Art und Weise. Die Spielfreude schlummert immer noch in uns“, sagte Julian Brandt, der aber auch gleich die Warnung hinterherschob, dass gerade angesichts des dicht gedrängten Programms „immer wieder mal Fehler passieren werden“. Die kommende Woche hat es in sich, denn nach dem Duell mit dem englischen Meister Manchester City steht in der Liga die Partie bei Eintracht Frankfurt an.

„Wir wissen, was in den letzten Wochen passiert ist“, erinnerte Edin Terzić an die Niederlagen beim 1. FC Köln und dem 1. FC Union Berlin sowie die matten Auftritte in Hannover und gegen den FC Sevilla. Er hatte dabei einiges probiert, in Berlin war er sogar auf eine Dreierkette umgestiegen. Das war misslungen, daher setzte der Trainer gegen den VfB wieder auf sein bewährtes 4-2-3-1 mit Moukoko. Der Stürmer hat Anthony Modeste aus der Start­elf gedrängt, ein klares Bekenntnis zum Kombinationsfußball mit Tempo und aggressivem Verhalten bei gegnerischem Ballbesitz. Dass Reyna nach einer langen, von Muskelverletzungen mit Rückschlägen geprägten Phase nun erstmals wieder in der Startelf stand und stark spielte, kommt dem Plan zugute.

Einen angesichts des Ergebnisses und Spielverlaufs eher überraschenden Plan verkündete Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat. „Er hat mir und meinem Team eben in der Kabine gesagt, dass wir bis zur Winterpause weitermachen dürfen. Das ist natürlich ein toller Vertrauensbeweis“, sagte Interimstrainer Michael Wimmer, der die Wochen bis zur WM als Bewerbungsphase betrachten darf. „Er ist damit einer von drei Kandidaten“, sagte Mislintat, der früher Chefscout in Dortmund war. Bellingham haben sie aber ohne ihn entdeckt.

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