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Archiv-Artikel

Gewalt und Wiederaufbau

Von B.S.

BERLIN taz ■ William Taylor, Leiter des US-Büros für den Wiederaufbau des Irak, nimmt kein Blatt vor den Mund. Der Wiederaufbau des Landes sei eine teure und gefährliche Angelegenheit, sagte er gestern gegenüber dem britischen Rundfunksender BBC. Dafür vorgesehene Gelder müssten häufig in Sicherheitsvorkehrungen gesteckt werden. „Wegen der Zunahme der Aktivitäten der Aufständischen mussten Vertragspartner auch für einen besseren Schutz des Geländes sorgen, für gesicherte Fahrzeuge und ausgebildetes Sicherheitspersonal,“ sagte er. Die Ausgaben für die Sicherheit betrügen bis zu 16 Prozent der gesamten Projektkosten.

Laut Taylors Angaben wurden seit April vergangenen Jahres 295 amerikanische Vertragspartner und Leibwächter getötet. Immer wieder werden Angestellte ausländischer Firmen entführt oder getötet. Gestern wurde ein 31-jähriger philippinischer Buchhalter nach achtmonatiger Geiselhaft freigelassen. Er war zusammen mit fünf Mitarbeitern in der Villa seines saudischen Arbeitgebers verschleppt worden. Das Unternehmen belieferte die US-Streitkräfte mit Lebensmitteln. Die Kidnapper hatten gefordert, dass die rund 6.000 Arbeitskräfte aus den Philippinen das Land umgehend verlassen und nicht länger die US-Truppen unterstützen sollen. Am Dienstag hatte ein schwedischer Geschäftsmann berichtet, er sei nach 67 Tagen Geiselhaft in Bagdad wieder frei und in seine Heimat zurückgekehrt.

Zahlreiche Attentate richten sich gegen Repräsentanten der neuen staatlichen Institutionen. Es vergeht praktisch kein Tag, ohne dass Polizisten oder Rekruten Opfer von Anschlägen werden. Dutzende von Offizieren wurden entführt und später umgebracht, manche von ihnen sogar zu Tode gefoltert. Gestern traf es zwei Polizisten in Maidain bei Bagdad, die mit ihrem Streifenwagen auf einen Sprengsatz fuhren. Insgesamt sind in den letzten Tagen über 40 Iraker bei Anschlägen gegen Polizeirekruten und ein Restaurant, in dem Angehörige von Sicherheitskräften verkehrten, getötet worden.

Ebenfalls gestern wurde der sunnitische Richter Jassim al-Issawi erschossen, der sich an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligen wollte. Mehrere seiner Kollegen, die als Mitglieder des Tribunals gegen Saddam Hussein und seine Mitstreiter im Gespräch waren, wurden umgebracht. Auch zahlreiche Mitglieder von Regierung und Verwaltung wurden zu Opfern von Attentätern.

Selbst Wissenschaftler werden zu Zielscheiben der Attentäter, darunter auffallend viele Ingenieure und Angehörige verwandter Berufe. Vor zwei Tagen wurde Sattar Sabir al-Khazrali, Professor der Universität für Technologie in Bagdad, von Unbekannten erschossen. Seit Kriegsbeginn wurden über 60 Professoren umgebracht.

Der Wiederaufbau wird auch durch die mangelhafte Stromversorgung beeinträchtigt. In Bagdad beispielsweise gibt es derzeit Stromrationierung – bei Temperaturen von über vierzig Grad. Auch Ausbildungsprojekte wie Computerkurse oder Nähkurse für Frauen an elektrischen Nähmaschinen sind davon betroffen. B.S.