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Kommentar von Benno Schirrmeister über In-Ovo-Sexing und KlimaschutzInhumaner Tierschutz

Politik traut sich nicht, Zukunft zu ermöglichen. Sie stützt ein katastrophenförderndes Wirtschaften

So wird das nichts. Zwar lässt die Kreativität der Forschung staunen: Aus szientistischer Perspektive ist es toll, wie und dass wir nun das Geschlecht von Hühnerembryonen erkennen können. Und sogar bevor die neuronalen Mechanismen ausgebildet sind, mit denen schädigende Reize das Blut der künftigen Tiere in Wallung bringen. Also bevor sie Schmerz empfinden.

Genau besehen sind das aber nur – im Grunde lächerliche – prothetische Ergänzungen und pseudohumane Fassadenarbeiten, die dem agroindustriellen System etwas mehr Stabilität und den Eindruck von Erträglichkeit verleihen. Sie bemänteln, dass seine verhängnisvollen Auswirkungen unmittelbare Folgen der großen Stückzahlen sind, also des Hochskalierens der Produktion. Das macht verwertbare Tiere zu Massenware. Die anderen sind halt Abfall. Der ist zu vernichten.

Zu verzichten wäre die einzig sinnvolle Handlungsoption. Der Preis ist klein: Eier, kulinarisch eher zweifelhaft, sind zwar als Emulgatoren praktisch, aber ersetzbar. Und das Ei ist, wie alle Tierprodukte, ein Klimakiller: Sein CO2-Äquivalent beläuft sich laut Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung aufs Dreifache des Eigengewichts. Selbst wenn die 20 Milliarden Eier, die die Deutschen jährlich vertilgen, alle nur in der Gewichtsklasse S lägen, würden ohne sie 3.000.000 Tonnen Treibhausgas gespart.

Politik traut sich nicht, Zukunft zu ermöglichen. Sie vermeidet, zerstörerischen Konsum durch Verbote einzudämmen und katastrophenförderndes Wirtschaften zu überwinden. Aber sie müsste dieses System nicht noch stützen. Es mit Maßnahmen wie In-Ovo-Chicken-Sexing zu beschönigen, heißt, seine Zumutungen mitzutragen. Diese Form von Tierschutz ist inhuman.

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