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Spontanes Einspringen im Bürgeramt

Viele online gebuchte Bürgeramts­termine werden nicht genutzt. Kreuz­bergs Ex-Bürgermeisterin kann sich Bußgeld vorstellen

Entlastung für die Bürger­ämter

Ab dem Frühjahr 2023 soll es nach dem Vorbild Hamburg, wo das gerade im Rahmen eines Pilotprojektes getestet wird, auch in Berlin möglich sein, den Wohnsitz online umzumelden. Dies teilte der Staatssekretär und „Chief Digital Officer“ von Berlin, Ralf Kleindiek, am Mittwoch mit.

Von Stefan Alberti

In vielen Podiumsdiskussionen, in fast jedem Leserforum kommen sie zur Sprache: Die vergeblichen Versuche, im Bürgeramt schnell einen Termin zu bekommen. Dabei hat sich der rot-grün-rote Senat vorgenommen, dass binnen 14 Tagen ein Termin verfügbar sein soll. Ein Grund dafür, dass das bislang nicht klappt: Jeder fünfte online gebuchte Termin wird von Leuten blockiert, die zu diesem Termin gar nicht erscheinen. „Diese Haltung geht gar nicht“, meint Kreuzbergs grüne Ex-Bürgermeisterin Monika Herrmann. Sie hält das für unsozial und eine Geldbuße von 20 bis 25 Euro für angemessen. Der für Digitales zuständige Staatssekretär in der Innenverwaltung, Ralf Kleindiek (SPD), mag davon jedoch nichts wissen. „Das ist nicht meine Vorstellung, wie Verwaltung mit Berlinern umgeht“, sagt er auf eine taz-Frage.

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Abgeordneten Adrian Grasse räumte Kleindieks Verwaltung die große Zahl von nicht genutzten Terminen ein. Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) hatte zuvor sogar davon gesprochen, jeder vierte Termin werde nicht wahrgenommen. Die Zahlen sind dabei von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich: In Mitte wird jeder dritte Termin nicht vom Onlinebucher wahrgenommen, in Charlottenburg ist es nur jeder zehnte.

„Die Termine werden aber trotzdem vergeben“, schrieb Kleindiek in seiner Antwort: Kurzfristig würden auf diese Weise Spontankunden und Notfallkunden bedient. „Die Termine verfallen somit nicht“, so der Staatssekretär. Das aber hieße etwa im Bezirk Mitte: Jeder und jede Dritte muss auf gut Glück ins Bürgeramt, statt sich online mit einem sicheren Termin versorgen zu können. Nach jüngsten Zahlen des Senats erhalten derzeit nur 36 Prozent derjenigen, die einen Termin im Bürgeramt suchen, binnen 14 Tagen auch einen.

„Wenn man das mal aus der Perspektive von den Menschen betrachtet, die dringend einen Termin brauchen, ist das höchst unfair“, beurteilte Ex-Bürgermeisterin Herrmann gegenüber der taz die Situation. Sie spricht sich dafür aus, diejenigen, die gebucht haben, in einem ersten Schritt via Mail oder SMS in den Tagen vor ihrem Termin an ihre Buchung zu erinnern oder um Absage zu bitten. So etwas schwebt auch Kleindiek vor. Wer das aber ignoriert, der sollte aus ihrer Sicht zahlen müssen. Die Kunden hätten auch für einander Verantwortung, meint Herrmann. Das jetzige System, das die Terminblockierer unbehelligt lässt, bestrafe indirekt jene, die sich an die Regeln halten.

In der Pressekonferenz nach einer der jüngsten Senatssitzungen kündigte Staatssekretär Kleindiek zumindest eine Neuerung an: „Auffällige Mehrfachbuchungen“, die ein großer Grund für das häufige Nichterscheinen seien, will er durch ein verbessertes Buchungsprogramm verhindern. „Das lässt sich mit ein bisschen Robotik schaffen“, sagt er.

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