: Nackt!
Die Fotografin Lara Verheijden fotografiert Menschen von nebenan im öffentlichen Raum. Zum Teil hüllenlos. Und das ist durchaus auch sexuell gemeint
In Lara Verheijdens Heimat, den Niederlanden, gibt es keine alltägliche Nackheit, keine Freikörperkultur wie im Nachbarland Deutschland. Nacktheit im öffentlichen Raum wird dort leichter als Provokation verstanden, was der Künstlerin auch gefällt. „Es hat durchaus etwas Rebellisches, ich mag es, die Leute zu provozieren“, sagt sie über ihre Fotos, die meist auf Straßen und Plätzen in Berlin und ihrem Wohnort Amsterdam entstehen, „Und sie sind auch sexuell, denn Sexualität ist nichts Schlechtes.“
Lara Verheijden, Fotografin
Ihre Modelle spricht Verheijden nicht spontan auf der Straße an, auch wenn manche Bilder so wirken. Es sind Menschen, die sich auf Casting-Aufrufe melden, „keine Profimodels, sondern ganz normale Leute, zu achtzig Prozent sind es Frauen“.
Denn ein nackter Penis, Verheijden teilt diesen Eindruck, sorgt noch immer für mehr Irritationen als unbedeckte weibliche Genitalien: „Ich denke, es gibt noch immer kein kollektives Gedächtnis für nackte Männlichkeit jenseits homoerotischer Fotografie.“ Neulich hingegen habe sie am Berliner U-Bahnhof Hermannplatz einen Skater aufgenommen, nackt auf seinem Board, was hingenommen wurde, „wohl, weil es eine athletische, sportliche Ästhetik war“.
Doch nicht nur das männliche Geschlechtsteil bringt Menschen auf die Palme, auch die weibliche Brust, wenn sie zu Zwecken der Säuglingsfütterung entblößt wird. Lara Verheijden ist von diesem Motiv fasziniert, versteht sich aber auch in diesem Zusammenhang nicht als Aktivistin, sondern als Künstlerin. Es gehe ihr eher um das Spannungsfeld von Nacktheit im öffentlichen Raum, nicht um politische Anliegen und persönliche Präferenzen, sagt sie.
„Privat mag ich zum Beispiel lieber angezogene Männer, die eigentliche Physis interessiert mich weniger. Was nun in Anbetracht meiner Arbeiten zugegeben etwas paradox klingt“, sagt Verheijden. Fasziniert ist sie wiederum von den Möglichkeiten alltäglicher Nacktheit in Berlin, insbesondere in Parks wie dem Tiergarten oder der Hasenheide. „Ich bin so einfach nicht aufgewachsen. Das war für mich wirklich eine riesige Überraschung, das es so etwas gibt. Bei meinem Freund ist das anders, der war schon als Kind an Nacktstränden, der ist daran gewöhnt.“
Und in einem Fall wurde die Fotografin selbst zum Fan: „Ich liebe es, am Teufelssee zu sein, das ist großartig, weil es so ein Mix aus Leuten ist: Alte, Junge, Partypeople, manche sind nackt, andere angezogen.“ Der See erlangte vor zwei Jahren sogar eine gewisse Berühmtheit aufgrund eines Nacktfotos. Es zeigt einen korpulenten Herrn, der ein Wildschwein verfolgt, das mit seiner Stofftasche, darin ein Laptop, davonwetzt.
Wenn Lara Verheijden am Teufelssee fotografiert, dann nur am frühen Morgen, nicht nur, weil das Licht dann besonders ist: „Es ist etwas anderes, einfach nackt zu schwimmen oder dabei fotografiert zu werden.“ Nicht jeder möchte das. Martin Reichert
Nacktkalender Aus ihren Fotos macht Lara Verhejden seit einigen Jahren Kalender. Diese können unter www.thenudecalendarproject.com erworben werden – die 2023er-Editionen ab Ende September.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen